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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dachte er. So ein Teufelchen. Wie arm wären wir, gäbe es solche Teufelchen nicht.
    So konnte Boris unerkannt die Datscha verlassen und zurück zu Natascha Trimofa reiten.
    Niemand sah ihn.
    Aber je weiter er sich von der Datscha Borkins entfernte, um so mehr schauderte es ihn vor dem, was er getan hatte.
    *
    Natascha Trimofa stand schon in der Tür und sah nach ihm aus, als Boris wie ein Geist durch das Wäldchen sprengte und sein goldenes Pferd auf den Hinterbeinen hochriß.
    Sie hielt eine Lampe hoch, als könnte sie damit das Gesicht Boris' bescheinen und darin lesen, was geschehen war.
    »Nun?« fragte sie, noch ehe er absprang. »Was ist?«
    »Es ist alles gut, Natascha Trimofa.«
    Boris ging an ihr vorbei in das Haus. Natascha folgte ihm, sie klebte fast an ihm.
    »Was heißt gut, Boris?«
    »Wo ist Svetla?«
    »Sie wartet nebenan auf dich. Es ist alles gepackt. Wir können sofort weg! Der Wagen wartet.« Sie packte Boris am Ärmel der schweißdurchtränkten Jacke. Als sie die Hände zurückzog, weil er weiterging, sah sie im Schein der Lampe, daß ihre Finger rot waren.
    Blut! Nataschas Trimofas Augen leuchteten auf. Sie wurden groß, weit, unendlich wie die Steppe am Tschu.
    »Du hast es getan?«
    »Laßt uns sofort fahren!«
    »Du Held! O du Held!« Natascha Trimofa stellte sich Boris in den Weg. »Du weißt nicht, was du heute nacht getan hast! Ich werde dir ergeben sein wie eine Sklavin. Du Held!«
    »Ich bin ein Mörder. Ein billiger, einfacher, feiger, erbärmlicher Mörder – weiter nichts.«
    »Tut es dir leid?«
    »Nein! Aber es bleibt ein Mord!«
    Die Augen Nataschas zogen sich wieder zusammen. Ihre Stimme sank zusammen wie ein erfrorenes Vögelchen.
    »Wie starb er?«
    »Laß mich in Ruhe! Hole Svetla und laß uns fahren.«
    »Hat er geschrien? Hat er um sein Leben gewinselt? War er ein Feigling?«
    »Schweig!«
    »Hat er laut geschrien? Ganz laut? Hat er mit seiner Stimme den Himmel aufgerissen? Sag es, sag es … wie starb er?« Ihre Lippen waren naß … es war, als tropfe Speichel über sie. Ihre Stimme zerbrach. Das Gesicht war tot und gelbweiß.
    »Er starb unter der Nagaika. Er war tapfer! Ich habe mich geschämt vor ihm, so tapfer war er.«
    »Unter der Nagaika …« Natascha Trimofa schloß die Augen und warf den Kopf weit in den Nacken. »Das war gut, Boris, mein Held. Das war gut. Unter der Nagaika … Wie liebte er seine Nagaika! Wie liebte er sie. Hahaha!« Sie lachte plötzlich grell, aufreizend, irrsinnig.
    Dann wandte sie sich schroff ab und ging nebenan in die Schlafkammer. Boris setzte sich an den Tisch und stützte den Kopf in die Hände.
    Sie lacht, dachte er schaudernd. Würde sie auch lachen, wenn sie seinen letzten Blick gesehen hätte, ehe er sich ausstreckte und klaglos unter der Peitsche starb?
    Svetlana betrat das Zimmer. Sie war angekleidet mit Kleidern Natascha Trimofas. Ein dicker Schal aus schwarz eingefärbter Schafwolle umhüllte den Kopf und die Schultern.
    »Wo warst du, Boris?« fragte sie.
    »Ich habe ein paar Sachen geholt. Ich bin in meine Unterkunft geschlichen und habe sie herausgeholt.«
    »Du warst nicht bei Borkin?«
    »Nein!« log er. Er sagte es so fest und unwiderruflich, daß Erna-Svetlana nicht weiter fragte.
    In der Tür erschien Natascha Trimofa. Sie trug eine große, aus Wachstuch gefertigte Reisetasche. Speck und Fleisch waren darin, Eier, Hirse und getrockneter Tee, hartes Brot und Graupen und einige Medikamente gegen Typhus und Ruhr, Verbandspäckchen und ein blutstillendes Mittel. Und Salbe gegen die Mücken und Schnaken des Balchasch-Sees.
    »Seid ihr fertig?« fragte sie. Sie war wieder die umsichtige, organisierende Ärztin. Das Fanatische war abgefallen wie eine alte Haut.
    »Ja«, sagte Boris.
    Sie gingen aus dem Haus. Natascha Trimofa schloß die Tür mit einem dicken Vorhängeschloß ab. In der völligen Dunkelheit tappten sie hinter das Haus, wo der Stall lag. Dort stand unbeweglich das kleine Panjepferd vor dem Wägelchen. Boris' goldenes Pferd trottete ihnen nach, ohne daß es gerufen worden war. Natascha Trimofa sah sich nach ihm um.
    »Das mußt du hier lassen!«
    »Warum?«
    »Es fällt zu sehr auf. Es verrät eure Spuren mit seiner goldenen Farbe. Ihr dürft nichts haben, was aufmerksam macht. Ihr müßt grau sein wie die Nachtmäuse.«
    »Ich gebe das Pferd nicht her«, sagte Boris hart.
    »Es ist ein Sohn von unserem ›moij druk‹!« sagte Erna-Svetlana.
    »Und wenn es der Sohn der Sonne selbst ist – es bleibt

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