Der Himmel über Kasakstan
hat ihren Andreij nicht verraten, die gute Axinjaschka. Sie rannte in ein brennendes Haus, weil sie wahnsinnig war.«
»Damals war Krieg, Andreij.«
»Es ist immer Krieg in Rußland.«
»Ich muß sie bei dir verstecken, weil sie Borkin erschlagen haben.«
Die Augen Boborykins starrten ungläubig auf die Ärztin. »Iwan Kasiewitsch?«
»Ja. Boris erschlug ihn mit Borkins eigener Nagaika.«
»Den Stalinanbeter?«
»Ja doch. Er ist ein Held, dieser Boris. Er hat mich gerächt, Svetlana – und dich, Andreij. Hast du Vera Nikolajewna ganz vergessen?«
Über Boborykins Urweltgesicht zuckte es kurz. Er nahm sein Gewehr vom Tisch, hängte es über die Schulter und stampfte in seinen dicken Bärenlederstiefeln mit den gebleichten Sehnen zur Tür und hinaus auf den Vorplatz der Hütte.
»Komm, Genossin Trimofa«, rief er über die Schulter zurück. »Gehen wir sie holen –«
*
Es war für Iljitsch Sergejewitsch Konjew ein Schlag in den Magen, als ihn Sussja laut schreiend aus dem Bett warf.
»Mörder!« brüllte sie. »Mörder!«
Marussja, die aus der Küche ins Zimmer gerannt kam und glaubte, Sussja betitelte ihren Iljitsch mit diesem unschönen Namen, wollte zurücklaufen und einen eisernen Kochlöffel holen.
»Du Hure!« brüllte sie Sussja an. »Laß Iljitsch in Frieden! Kommt dieses Mensch daher und sagt Mörder zu meinem Iljitschi!«
Konjew erschien, da er so schnell nicht in seine Hosen fahren konnte, in einem langen Lammfellmantel in der Tür und verzog schmerzlich sein Gesicht, als er Sussja vor sich stehen sah. Er warf einen Schuh nach Marussja, die mit einem eisernen Löffel aus der Küche zurückkam und brüllte Sussja an, um ihr Gekreische zu übertönen.
»Was ist los?« Er legte die Hand gegen den Magen. Plötzliches Wecken am frühen Morgen und sofortige Aufregung vor dem Morgenwodka erzeugten bei ihm gastrische Krämpfe. Der Arzt in Alma-Ata nannte es geheimnisvoll eine gastritis nervosa … Genossin Trimofa meinte grob, es komme vom Saufen. Und Konjew traute der Genossin Ärztin mehr zu als dem geschniegelten Burschen in der Hauptstadt.
»Man hat meinen Iwanja erschlagen!« heulte Sussja auf.
»Was hat man?« Konjew wischte sich über die Augen. Das ist doch unmöglich, dachte er entsetzt. In Judomskoje wird der Freund Stalins ermordet? In meinem Dorf wird … unter meinen Augen wird … Er fühlte einen plötzlichen, spontanen kalten Schweißausbruch am ganzen Körper und setzte sich schwer auf den nächststehenden Stuhl.
»Wer?« fragte er dumm.
»Darum bin ich hier! Sie müssen den Mörder finden, Genosse Dorfsowjet!« schrie Sussja.
»Ich? Natürlich! Ich!« Konjew sprang auf. »Marussja! Weck den Genossen Tschetwergow! Es ist ein Fall für ihn. Er steht über mir … es wird mir eine Ehre sein, ihm diesen Fall anzubieten.«
Auch Stephan Tschetwergow war sehr bestürzt und riß an seinem Tatarenbärtchen, als Konjew ihm mitteilte, was Sussja in der Küche der erstaunt zuhörenden Marussja dramatisch darstellte.
»Iwan Kasiewitsch Borkin?« sagte Tschetwergow nachdenklich. »Das ist eine Sauerei, Genosse Konjew.«
»Ich weiß es, Genosse Tschetwergow.«
»Man wird in Moskau sehr erstaunt sein, daß so etwas in Kasakstan passiert. Wir gelten als die ruhigste Provinz.«
»Ich weiß es, Genosse.«
»Es wird eine Untersuchung geben. Eine verteufelte Sache. Meist bleibt es nicht bei dieser einen Untersuchung. Man sieht in einem Aufwaschen gleich alle Bücher nach, man prüft die Konten, man kontrolliert die Parteiarbeit …«
»Teufel, Teufel, Genosse …« Konjew verzog das Gesicht. »Das ist ein saurer Wein für uns.«
»Haben Sie einen Verdacht?«
»Nein.«
»Hatte Iwan Kasiewitsch Feinde?«
»Wenn es danach ginge, wären wir alle es gewesen, Genosse«, sagte Konjew anzüglich. Tschetwergow seufzte laut.
»Er war ein Rabenaas!«
»Bald fressen ihn die Würmer.«
»Das hindert uns aber nicht, den Mörder zu suchen. Wir müssen ihn haben, bevor die Kommissare aus Moskau kommen! Wir müssen irgend etwas tun!«
»Gehen wir, und sehen wir uns den Genossen Borkin an. Sussja meint, sie habe den Mörder gesehen.«
»Dann haben wir ihn ja!« rief Tschetwergow.
»Sie sah nur einen Schatten.«
»Mist!«
»Mehr als das, Genosse. Fedja, so sagte Sussja, habe sie daran gehindert, den Mörder zu fangen. Er habe gesagt, es sei nichts.«
»Dann werden wir Fedja in das Straflager schicken. Nach vierzehn Tagen wird er aussagen, er sei es gewesen.« Tschetwergow lächelte breit.
»Es
Weitere Kostenlose Bücher