Der Himmel über Kasakstan
Dunkelheit bei Iljitsch Sergejewitsch Konjew auf.
Marussja, die ihm öffnete und ihm den Eingang verwehren wollte, drückte er zur Seite und knallte ihr, als sie ihm am Rock festhielt, eine so gewaltige Ohrfeige in das breite Bauerngesicht, daß sie umfiel und über den Boden kugelte.
»Iljitsch!« konnte sie noch kreischen, da war der Bär Boborykin schon in der Stube und trat einen Stuhl, der im Wege stand, gegen die Holzwand, wo er zerbrach.
Konjew, der gemütlich beim Schein der Lampe in der Komsomolza Prawda las und einen Artikel über die moderne Rübenernte buchstabierte, zuckte zusammen und fuhr herum. Als er Boborykin in der Tür stehen sah wurde er leichenblaß und umklammerte die Zeitung, als könne er sich an ihr festhalten.
»Andreij Andreijewitsch«, stotterte er. »Du? Ich denke …«
»Gedacht hast du nie!« brüllte Boborykin. Seine mächtige Stimme dröhnte durch die Hütte Konjews wie Donner. Marussja verkroch sich in der Küche; ihr Gesicht brannte wie ein angeheizter Backofen, und der Kopf brummte. Er hat mir eine Gehirnerschütterung geschlagen, dachte sie, innerlich jammernd. Mit einem einzigen Schlag, mit einer einzigen Ohrfeige. O Mutter Gottes – welch ein Mann!
»Was habt ihr mit meiner Hütte gemacht, ihr Saukerle?« brüllte Boborykin weiter.
Iljitsch Sergejewitsch Konjew schielte zum Telefon. Aber es war ein dummer Gedanke, das wußte er. Auch wenn er den Apparat erreichte … die Nummer Tschetwergows oder der Militärstation würde er nie wählen können. Soviel Zeit blieb nicht mehr.
»Du lebst, Brüderchen?« fragte er freundlich grinsend, obgleich sein Gesicht käsig war und er das drängende Gefühl empfand, sofort und hier auf der Stelle seinen Darm zu entleeren.
»Was habt ihr gemacht?«
»Genosse Tschetwergow – du kennst ihn, Brüderchen – war der Ansicht, daß Natascha Trimofa, Boris Horn und Erna-Svetlana Bergner nur bei dir verborgen sein müßten, weil man sie sonst nirgendwo fand.«
»Ach!« sagte Boborykin. Er kam langsam näher. Dieses »Ach!« trieb Konjew einen Schauer über den Rücken. Er kannte Boborykin, er wußte um die Urweltkräfte, die in diesem riesigen Körper steckten.
»Mach keine Dummheiten, Brüderchen«, sagte er schluckend. »Es war Befehl aus Alma-Ata! Ich habe nur –«
»Wie kommt Tschetwergow auf diesen idiotischen Gedanken? Wer hat ihm gesagt, daß ich die Deutschen verbergen könnte?«
»Wer wohl, Brüderchen? Wer wohl?« Konjew schwitzte kalt und rang die Hände ineinander. »Wer weiß, woher der Wind kommt, wenn er plötzlich über die Steppe streicht? Wer hat ihn bestellt, wer kann ihn brauchen?«
»Du hast Tschetwergow gesagt, daß ich –« Boborykin hob die rechte Hand. Wie ein riesiger Teller schwebte sie über dem Gesicht Konjews. Mit offenem Mund starrte er diese Hand an. Gott, o Gott, dachte er, wie kann ein Mensch nur eine solche Hand haben. Das ist keine Hand mehr, das ist schon eine Waffe!
»Tschetwergow sagte zu mir: Boborykin muß …« brüllte Konjew, als er die Hand auf sich zukommen sah.
Dann klatschte es, daß es durch die ganze Hütte tönte bis hinüber zu Marussja. Diese bekreuzigte sich in alter, überlieferter Weise und war versucht, für Iljitsch ein Seelengebet zu sprechen.
Konjew ging in die Knie. Die Hand Boborykins war mitten und flach auf seinem Kopf gelandet. Er kam sich vor, als habe er einen Felsstein auf das Gehirn bekommen. Benommen kniete er mitten im Zimmer und döste vor sich hin.
»Wer baut mir meine Hütte wieder auf?« schrie Boborykin grell. Er trat Konjew in das etwas vorgestreckte Gesäß. Das ernüchterte Iljitsch Sergejewitsch. Er schnellte wieder empor.
»Das kostet dich den Kopf!« kreischte er auf. »Du hast den Dorfsowjet geschlagen! Ich werde es melden! Ich werde es bis Moskau melden!«
Boborykin nahm Konjew vorne an der Jacke, hob ihn hoch wie einen erlegten Hasen, schüttelte ihn und setzte ihn auf den Tisch. Mein Hintern, durchzuckte es Konjew. Er hat mir den Steißknochen gebrochen. Oh! Oh! Und alles wegen Tschetwergow!
»Was ist mit meiner Hütte?« sagte Boborykin etwas gemildert.
»Ich werde in Alma-Ata anfragen.« Konjew zitterte wie ein gefangenes Eichhörnchen. »Aber es wird Schwierigkeiten geben, Genosse. Verhöre, Verhaftung, Gefängnis, immer wieder Verhöre, bis du deine Unschuld beweisen kannst. Wo kommst du überhaupt her?«
»Aus Dshambul!«
»Du warst nicht in der Hütte, als die Soldaten –«
»Lebte ich dann noch?«
»Nein! Bestimmt
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