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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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entzündete ihn. Svetlana wickelte die Instrumente aus dem Öltuch und legte sie nebeneinander auf eines der nassen, vom heißen Wasser dampfenden Leinentücher. Die Frauen brachten einen mit Wolffell bezogenen Holzhocker in die Jurte. Auch der Noyon kam herein und hockte sich am Zelteingang auf die Erde. Er betrachtete die blitzenden Zangen und Gefäßklemmen, Messer und Scheren, die Svetlana ausbreitete und auf Anordnung der Trimofa in das siedende Wasser des Instrumentenkochers warf.
    »Skalpell, zwei Scheren, zwei Pinzetten, das genügt«, sagte sie. Sie zeigte auf die Instrumente und begann, sich bis zum Oberarm die Hände zu waschen. Sie benutzte dazu das letzte, kleine Stückchen Seife, das sie im Instrumentenkasten mitgenommen hatte und das sie nur für medizinische Zwecke verwenden wollte.
    Mit nassen, tropfenden Händen, die Finger gespreizt von sich haltend, trat sie dann hinter die Frau, die mit unbeweglichem Gesicht auf dem Hocker saß, den Kopf weit nach vorn gebeugt, den Nacken Natascha entgegenwölbend, als solle sie hingerichtet werden.
    Die Trimofa wandte sich wieder ab, öffnete das Jodfläschchen und umpinselte das Operationsgebiet. Erstaunt sah der alte Fürst, wie die Haut braun wurde und inmitten dieses Brauns sich der Berg des Karbunkels erhob. Er blickte wieder auf die blitzenden Instrumente und strich sich langsam über den weißen, sich in der Mitte des Kinnes teilenden Bart.
    »Hoffentlich hat sie keinen Zucker«, sagte Natascha zu Boris, als sie das Steckskalpell mit einer Zange aus dem Kocher nahm.
    »Und wenn sie ihn hat?«
    »Dann wird sie sterben. Es kann sie keiner mehr retten. Bei Zuckerkrankheit darf man keine Geschwüre schneiden. Aber ich habe ja keine Möglichkeit, das Blut zu untersuchen. Wir müssen es so wagen.«
    Boris biß sich auf die Unterlippe. Er legte einige Tupfer zurecht und wusch die Schale aus, in der die Karbunkelflüssigkeit aufgefangen werden sollte.
    »Was wird, wenn sie stirbt?« fragte er leise.
    Natascha Trimofa hob die schmalen Schultern. Ihr Gesicht war bleich und energisch wie immer. »Dann sterben wir mit, mein Freund. Aber sag es nicht Svetlana.«
    »Nein«, würgte Boris. Er schielte hinüber zu dem Greis am Zelteingang. Als eine der Frauen wieder heißes Wasser hereintrug, sah er für einen Moment, wie vor dem Zelt eine Menge Sojoten stand, still, andächtig fast, aber doch bereit, auf einen Ruf ihres Fürsten ins Zelt zu stürmen.
    »Man hat uns umzingelt«, flüsterte Boris Trimofa zu. »Wir sind in einer Falle.«
    »Du mußt nicht so primitiv von den Nomaden denken, Bor.« Natascha Trimofa winkte zu Svetlana hinüber, näherzukommen. »Sie vertrauen uns. Mit der Ehrfurcht vor allen Wundern wollen sie hier ein Wunder sehen. Dabei ist es nur eine einfache Operation, die jeder Feldscher kann.«
    Sie trat hinter die Frau und nickte Boris zu.
    »Halt den Kopf fest. Und du, Svetlana, gibst mir die Spritze.« Sie streckte die Hand aus.
    Die Spritze mit dem Novocain lag eine kurze Sekunde nachdenklich in ihrer Hand, ehe sie die Nadel ansetzte.
    Der erste Einstich … durch den Körper der Frau ging ein kurzes, kaum merkliches Zucken. Sie schloß die Augen. Auch die Augen des zusehenden Greises wurden kleiner, noch geschlitzter, und verschwanden fast in den gelben Falten des Gesichtes.
    Die weiteren Einstiche bei der Umspritzung des Operationsfeldes merkte die Frau schon nicht mehr. Peinlich genau setzte Natascha Trimofa die Lokalanästhesie; dabei betrachtete sie eingehend das aufgequollene Geschwür und entschloß sich, den Kreuzschnitt anzuwenden. Zwar hinterließ er später große, häßliche Narben, aber er war der Schnitt, der am besten das Feld zur Ausräumung des Karbunkels öffnete.
    Svetlana trug die Instrumente heran … mit beiden Händen hielt sie das heiße Leinentuch, auf dem sie lagen, und stellte sich neben die Trimofa.
    Natascha wartete wenige Minuten, bis die Lokalanästhesie wirksam war. Dann nahm sie das Skalpell, strich mit dem Messer noch einmal über den Karbunkel und schnitt dann mit schneller Bewegung in das Geschwür. Ein Schnitt vertikal, ein Schnitt horizontal. Der Karbunkel klaffte weit auf … Boris hielt die Schale an den Nacken … Eiter, stinkende braune Flüssigkeit und fast schwarzes Blut quollen aus dem Schnitt.
    Durch das Zelt zog der Geruch von Verwesung und Eiter.
    Unbeweglich saß der Greis am Eingang und sah mit starren Augen der Operation zu. Die Frau auf dem Hocker rührte sich nicht. Sie hielt die Augen

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