Der hinkende Rhythmus
raus, los«, befahlen sie.
Güldane schwieg weiter. »Wir gehen nicht raus«, trotzte Yunus.
Daraufhin zischte einer der Männer: »Nun pass mal auf. Unser Vorsitzender kann solche wie euch gar nicht riechen. Alles klar? Nun verpisst euch, bevor ich euch die Beine breche … Dalli dalli …«
Der Mann hatte gerade Güldane am Arm und Yunus an der Schulter gefasst, als Yunus sagte: »Ich scheiß auf deinen Vorsitzenden und auch auf dich!«
Danach war die Hölle los. Der stämmigere unter den Männern wollte Yunus ohrfeigen, doch Güldane sprang auf ihn zu und zerkratzte ihm mit den Fingernägeln das Gesicht, und als ein anderer Güldane an den Haaren packte, verpasste Yunus dem Kerl einen Tritt in die Eier. Einer versuchte, Yunus sein Tamburin zu entreißen, Güldane versetzte ihm einen Kopfstoß ins Gesicht. Während alles im Saal schrie und kreischte, gelang es den Geschwistern, sich von den Männern loszureißen, um in der Menschenmenge Kreise zu drehen. Es wurde immer amüsanter.
Das Tohuwabohu dauerte etwa eine Viertelstunde. Am Ende schlossen sich alle Anzugmänner zusammen und setzten Güldane und Yunus vor die Tür.
Während das alles im Saal geschah, wartete Safiye hinten, in dem Zimmer, das für Braut und Bräutigam als Warteraum reserviert wurde, darauf, dass dort draußen wieder Ruhe einkehrte und sprach alle Gebete, die sie kannte oder auch nicht wirklich kannte, damit die Hochzeit nicht ins Wasser fiel. Dabei hielt sie ein eigenartiger Instinkt davon ab, hinaus in den Saal zu gehen, und auch Cevdet dem Zweiten erlaubte sie nicht, nachzuschauen.
Dann hörte das Getöse endlich auf und zwei junge Männer kamen völlig verschwitzt herein. Sie entschuldigten sich bei ihrem Vorgesetzten. Sie berichteten, zwei Zigeunerkinder hätten Schwierigkeiten gemacht, aber man habe das Problem gelöst und die Strolche weggeschickt. Safiye blieb still.
Als wenig später die geladenen Gäste der Braut und dem halb so stämmigen Bräutigam applaudierten, die am Trauungstisch ihre Plätze einnahmen, waren Yunus und Güldane mit einer Wehmut im Herzen, die sie einander nicht gestanden, schon auf dem Heimweg.
»Sieh mich an, Mutter, dreh den Kopf und sieh mich an.«
»Nein, so ist gut. Ich gucke raus.«
»Du wirst mich anschauen. Guck, sieh mir in die Augen.«
»So ist gut.«
Halil stand von seinem Bett auf, ging auf seine Mutter zu, fasste sie am Arm und drehte sie zu sich.
»Sieh mich an. Schau mir in die Augen, wenn du mit mir redest.«
Die Frau versuchte, sich aus Halils Griff zu befreien.
»Lass mich los. Du tust mir weh.«
Halil ließ etwas lockerer.
»Setz dich hier hin und hör mir gut zu. Es ist sehr wichtig, was ich dir sagen werde.«
»Wichtig? Was kannst du mir denn Wichtiges sagen?«
Halil setzte sie auf den Sessel, wobei er ihr zwar nicht wehtat, aber seine Kraft spüren ließ.
»Hör mir zu. Hör gut zu.«
Die Frau sah ihm direkt in die Augen. Für einen Moment schwankte Halil unentschlossen zwischen Kindheit und Erwachsensein. Dann fasste er sich wieder. Ohne den Blick von der Mutter abzuwenden, ohne sich zu verhaspeln, sagte er:
»Ich habe beschlossen zu gehen, Mutter. Ich werde mein Leben völlig ändern. Ich gehe. Hast du verstanden?«
»Wohin gehst du? Mit wem gehst du? Wo kannst du denn überhaupt hin?«
»Ich gehe, Mutter, und du wirst nicht mitkommen. Wir sehen uns zum letzten Mal, verstehst du? Ich werde gehen und du wirst nicht mitkommen.«
Sie geriet in Panik. Halil sah vielleicht zum ersten Mal Spuren von Angst in ihren Augen.
»Mit wem gehst du? Mit diesem Mädchen? Mit dieser Zigeunerin?«
Beide wussten, dass sein Schweigen eine Art Bestätigung bedeutete. Die Angst in den Augen der Mutter wich jetzt einem Ausdruck von Enttäuschung und Mitleid.
»Was wirst du tun? Wohin wirst du gehen? Dieses Mädchen …«
»Sag mir kein einziges Wort über sie, Mutter. Das geht dich überhaupt nichts an. Hast du verstanden? Du musst nur eines wissen. Ich gehe und du wirst nicht mitkommen. Wir sehen uns zum letzten Mal, hast du verstanden? Zum letzten Mal.«
Halils Zorn fegte über das Gesicht der Frau. Er sah jetzt eine magere, kraftlose Person vor sich, die nur aus Nerven und Adern bestand. Die Sorge, ihn zu verlieren, hatte bewirkt, dass sie alle Vorhänge, die ihr Gesicht verhüllten, aufgezogen hatte. Ihr Blick flehte um Erbarmen.
»Warum willst du mich nicht? Was hab ich dir getan? Was hab ich denn getan? Was?«
Der Wunsch, laut schluchzend zu weinen, arbeitete sich von
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