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Der hinkende Rhythmus

Der hinkende Rhythmus

Titel: Der hinkende Rhythmus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaye Boralıoğlu
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brachte seine Fahrgäste ohne Einwände an die gewünschten Orte. Er unterhielt sich mit niemandem, stritt auch mit niemandem und machte ruhig seine Arbeit. Sein einziger Wunsch war, so schnell wie möglich wieder zu Hause zu sein, um nach Herzenslust an Güldane zu denken, nach ihren Gerüchen in der Wohnung zu suchen, ihre Spur zu verfolgen, das Mädchen mal so und mal so zu kleiden, tausend verschiedenen Tagträumen nachzuhängen und nicht zuzulassen, dass etwas dazwischenfunkt.
    Irgendwann stieg eine blonde, relativ junge Frau in sein Taxi und führte ihn nach Etiler, in jene Straße, wo er Güldane zum ersten Mal begegnet war. Halil stellte sich vor, man würde dieser Straße ihren Namen geben: Güldane-Hanım-Straße! Die Frau stieg an der Kreuzung aus. Halil fuhr weiter und stellte fest, dass das Einkaufszentrum, in dessen Baugrube er gestürzt war, inzwischen fertiggestellt worden war. Die Menschenmenge und die ausgelassene Atmosphäre vor dem Gebäude deutete er als Zeichen dafür, dass die Eröffnung heute stattgefunden hatte. Er fand einen Parkplatz für seinen Wagen und stieg aus.
    Im Einkaufszentrum überließ er sich der Leichtigkeit der Festtagsstimmung, die dort herrschte. Mit einem vergnügten Lächeln, das er nicht unterdrücken konnte, schlenderte er zwischen umherrennenden Kindern, Luftballons, Konfetti, Clowns und Tänzerinnen. Die Rolltreppen, die blinkenden Lichter, die kunterbunten Geschäfte raubten ihm die Sinne. In diesem heiteren Treiben sah er in einem Schaufenster etwas, das ihn blendete: Auf einem sonnenfarbenen Samtkissen glänzte eine einreihige Perlenkette.

An den Grenzen
    »Ist es das?«, sagte Yunus. »Das war es also?«
    Nicht nur sein Gesicht, auch seine Stimme verrieten eine große Enttäuschung. In der Hand hielt er das Foto einer behelfsmäßig zusammengezimmerten Bretterbude in einem Garten, offenbar aus einer Zeitschrift herausgerissen.
    »Na und? Gefällt dir nicht oder was?«, versetzte Güldane. Sie nahm ihm das Bild mit einer Geste aus der Hand, die auszudrücken schien: »Dann verdienst du es eben nicht.«
    »Aber du hast doch gesagt, wir werden ein schönes Haus mit einem großen grünen Garten haben, hast du doch gesagt. Wir werden Prinz und Prinzessin in diesem Haus sein, hast du gesagt. Du hast es doch gesagt!«
    »Ja, eben. Das ist ja ein schönes Haus mit einem Garten. Wenn aus uns Prinz und Prinzessin werden kann, wird aus diesem Haus ein Schloss«, antwortete Güldane.
    Auch wenn sie etwas gekränkt war, weil Yunus das Gesicht verzog, war ihr anzusehen, dass es sie wenig kümmerte. Sie nässte die Ränder des Fotos mit Spucke und strich sie glatt. Sie nahm den Kaugummi aus dem Mund, vierteilte ihn, klebte die Stücke an die Ecken und heftete damit das Bild an die Wand.
    »Wenn es dir nicht gefällt, kommst du eben nicht mit«, sagte Güldane. »Was anderes können wir uns nicht leisten.«
    Yunus bekam sofort Angst. »Nee«, gab er zurück, »ich komm mit. Ich komme, aber … wo hast du dieses Foto her?«
    Güldane zuckte mit den Schultern. »Hab’s auf dem Müllberg gesehen, als ich dort rumspaziert bin«, antwortete sie. »Da hab ich eine Zeitschrift gefunden mit farbigen Fotos. Das war da drin. Weißt du, das ist in dem Ort von Mutter und Vater … in Edirne.«
    Yunus freute sich.
    »Hurra! Fahren wir da hin?«
    »Warum nicht?«, erwiderte Güldane. »Da gibt es Leute wie wir. Roma. Hast du verstanden? Vielleicht sind dort sogar Verwandte von uns.«
    »Aber dann hätten Mutter und Vater davon erzählt.«
    »Vielleicht wissen die es auch nicht. Entfernte Verwandte. Ach was soll’s, auch wenn keiner da ist, genügen wir uns schon.«
    »Wird dieses Haus denn verkauft?«
    »Weiß ich nicht. Vielleicht nicht das, aber wir finden halt so ein ähnliches.«
    Güldane betrachtete Yunus eingehend. In letzter Zeit war der Junge größer geworden und wirkte dadurch so richtig mager. Er war eben so etwas wie der Stiel einer Birne. Und seine Stimme krächzte arg. Manche Wörter klangen so lustig aus seinem Mund … Güldane beschloss zum ersten Mal, Yunus ihre zärtlichen Gefühle zu zeigen. Sie ging auf ihn zu und strich ihm übers Haar.
    »Mach dir keinen Kopf«, sagte sie. »Hat sich denn bis heute jemand um uns gekümmert? Wir kriegen das auch weiter zusammen hin. Wenn wir uns aus diesem ganzen Beton hier gerettet haben, vor diesen Wölfen da draußen, dann wird alles gut. Guck mal her …« Sie zeigte wieder auf das Bild. »Guck, alles so grün. Guck mal hier hinten

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