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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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ich würde schnell handeln müssen. Ich würde das Weite suchen müssen, bevor irgendjemand im Restaurant begriff, was vor sich ging. Es war riskant, aber ich musste langsam anfangen, mich an riskante Aktionen zu gewöhnen.
    Das Mittagessen im chinesischen Viertel stand am nächsten Tag auf dem Programm. Ich versuchte, mich auf meinen Job zu konzentrieren. Es war nicht einfach.
    Am nächsten Morgen stand ich früh auf und machte mich auf den Weg zum Haus meiner Zielperson. Ich hatte beschlossen, ihnen den ganzen Vormittag zu folgen, bis sie zum Mittagessen gingen, da ich den neuen Leibwächter ein paar Stunden lang beobachten wollte. Ich musste mir sein Äußeres ins Gedächtnis einprägen. Ich konnte es mir nicht erlauben, irgendwelche Zweifel zu haben, wenn der Mordanschlag über die Bühne ging.
    Der neue Leibwächter hatte die Nacht im Haus meiner Zielperson verbracht. Er war blond und hatte stechend blaue Augen. Er war kleiner als der Australier, hatte aber irgendetwas an sich, was mich nervös machte. Irgendwie wirkte er ein bisschen verrückt. Er war höchstens einen Meter siebzig groß und besaß nicht die imposante Statur, die andere Bodyguards hatten. Der Geheimdienst hatte mir nicht viele Informationen über ihn gegeben, abgesehen davon, dass er zur Gegenseite gehörte und bereits mehrmals im Krankenhaus gewesen war, mindestens dreimal davon wegen Schussverletzungen. Somit wusste ich bereits im Voraus, dass er sich nicht so leicht töten ließ.
    Als ich meiner Zielperson folgte, wurde mir bewusst, dass das mein letzter Mordanschlag war, mein letzter Job. Anschließend würde ich nie wieder Allens Stimme hören müssen. Ich konnte gehen, wohin ich wollte. Ich konnte zusammen mit dir an jeden beliebigen Ort auf der Welt verschwinden. Wir konnten ein Kind bekommen, das sich keine Sorgen um Tod, Mord und Krieg würde machen müssen. Wir würden frei sein. Diese Vorstellung machte mir fürchterliche Angst. Wovor ich Angst hatte, war nicht das Davonlaufen. Es war das, was nach dem Davonlaufen kommen würde. Ich fing an, auf eine Art und Weise an mir zu zweifeln, die ich dir damals nicht erklären konnte. Plötzlich fand ich die Vorstellung, Vater zu werden, erschreckend. Töten war alles, was ich konnte, alles, was mir jemals beigebracht worden war. Bislang hatte sich mein ganzes Leben ums Töten gedreht. Ich atmete tief durch und versuchte, meine Nerven zu beruhigen. Das Gewicht der Pistole in meinem Rucksack war eine Erleichterung.
    Ich folgte meiner Zielperson und ihren Begleitern ins Stadtzentrum und beobachtete, wie sie dasselbe Bürogebäude betraten, das ich schon ein paar Wochen zuvor überwacht hatte. Genau wie beim letzten Mal ging ich in das Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite, um den Gebäudeeingang zu beobachten und zu warten. Ich erinnerte mich daran, dass ich mich beim letzten Mal, als ich in diesem Café gesessen hatte, gelangweilt und jede Minute gezählt hatte. Dieses Mal saß ich unruhig da und wünschte mir, die Zeit würde langsamer vergehen, damit mir ein paar zusätzliche Momente blieben, um mich zusammenzureißen. Die Fragen, die mir durch den Kopf schossen, nahmen kein Ende. Ich warf abermals einen Blick auf die andere Straßenseite, beobachtete die bewegungslose Eingangstür und betete, dass sie sich niemals öffnen würde. Ich legte den Rucksack auf meinen Schoß und griff mit der Hand hinein, um das Gewicht der Pistole auf meiner Handfläche zu spüren. Dann erinnerte ich mich daran, wie ich nur ein paar Monate zuvor auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums in New Jersey gesessen und darauf gewartet hatte, von Jared und Michael abgeholt zu werden. Ich dachte daran zurück, wie Leute hineingegangen und herausgekommen waren und ich sie um ihr Leben beneidet hatte. Ich hatte sie angesehen und keine Angst erkannt. Sie fuhren am Wochenende ins Einkaufszentrum, um ein paar Besorgungen zu machen, und kehrten anschließend in ihre Vorstadthäuser zurück, wo sie fernsahen und auf Montagmorgen warteten, wenn sie aufwachen und sich auf den Weg zur Arbeit machen würden, die sie hassten. Ich beneidete sie um ihr Leben, ihr »normales« Leben, ihr sinnloses, langweiliges, normales Leben. War ich dazu bestimmt? Und wie sah es mit Michael und Jared aus? Wie sah es mit den anderen auf unserer Seite aus? Wie sah es mit den Jugendlichen aus, die ich unterrichtete? Ich erinnerte mich, was Jared mir nur ein paar Abende zuvor gesagt hatte. Sie glaubten mehr an mich, als ich selbst an mich

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