Der Hinterhalt
Stimme klang trotzig und stark, stärker, als ich es in diesem Moment für möglich gehalten hätte.
Ich war auch nicht bereit, unser Baby aufzugeben, Maria. »Wir hauen ab«, sagte ich zu dir. »Wir hauen ab.« Noch nicht sofort, aber bald.
Der Rest des Tages verstrich verschwommen, da wir beide erschöpft und emotional ausgelaugt waren. Wir versuchten, den neuen Kurs zu verarbeiten, den unser Leben eingeschlagen hatte; wir waren uns beide darüber im Klaren, dass nichts jemals wieder so sein würde, wie es war. Hin und wieder stelltest du mir eine Frage, oder ich stellte dir eine, um bestimmte Details zu klären, um Ungewissheiten auszuräumen und um den anderen besser kennenzulernen. Es war schwer zu glauben, dass wir tatsächlich nur fünf Tage miteinander verbracht hatten.
»Und, warst du schon beim Arzt?«, erinnere ich mich, dich gefragt zu haben.
»Warum? Zweifelst du etwa daran, dass ich schwanger bin?« Du lächeltest wieder. »Versuchst du immer noch, aus dieser Sache rauszukommen?«
»Nein, nein, nein. Vertrau mir. Ich möchte nur sichergehen, dass du gut auf dich aufpasst. Ich möchte nur sichergehen, dass du gut auf unser Kind aufpasst.«
»Wir sind hier in Kanada«, erwidertest du. »Natürlich war ich beim Arzt.«
»Und wann ist es so weit?« Ich begann, an den Fingern abzuzählen.
»Im Juli«, sagtest du, bevor ich zu Ende zählen konnte.
»Im Juli«, wiederholte ich und lächelte.
»Was ist mit meinen Eltern?«, fragtest du irgendwann. Ich hatte dich bislang kaum über deine Angehörigen sprechen hören. In meiner Vorstellung verklärte ich sie. Sie waren normal. Sie hatten dich hervorgebracht.
»Wenn sie glauben, dass deine Eltern etwas wissen, werden sie ihr Leben auf den Kopf stellen. Sie sind Unbeteiligte, deshalb kann ihnen kein körperlicher Schaden zugefügt werden, aber es gibt viele Möglichkeiten, wie sie einem auf die Pelle rücken können, ohne einem körperlichen Schaden zuzufügen.«
»Dann kann ich also nicht mal mit ihnen Kontakt aufnehmen? Ich darf ihnen nicht sagen, wo ich bin?«
»Na ja, es gibt schon Wege. Wir können sie wissen lassen, dass wir in Sicherheit sind, ihnen vielleicht sogar Fotos schicken. Aber sehen dürfen wir sie nicht.« Du wirktest besorgt.
»Nie wieder?« Die Kraft in der Stimme war zurückgekehrt. Ich konnte erkennen, dass du schon jetzt bereit warst, jedes Opfer zu bringen, um unser Kind zu schützen.
»Eines Tages, nachdem wir uns aus dem Staub gemacht haben, werden uns beide Seiten vergessen. Sie werden uns abschreiben. Dann können wir deine Eltern besuchen.« Vielleicht, dachte ich. Vielleicht wird es uns gelingen zu entkommen. »Ich möchte sie kennenlernen.« Ich lächelte, um dich aufzuheitern. »Und ich bin sicher, deine Eltern möchten ihr Enkelkind kennenlernen.«
»Sie werden das nicht verstehen«, sagtest du. Deine Stimme klang traurig. Ich hätte gern irgendetwas gesagt, um dich aufzumuntern. Ich sagte nichts.
»Also, was bist du, so eine Art Genie?«, fragte ich.
»Nein«, erwidertest du. »Ich wurde zu Hause unterrichtet. Meine Eltern sorgten immer dafür, dass ich anderen Kindern voraus war. Aber jetzt sitze ich in Seminaren und bin erstaunt, wie schlau die anderen Studenten sind.«
»Du bist schließlich auch zwei Jahre jünger als sie.«
»Was hat das Alter denn damit zu tun?«
»Warum gibst du nicht einfach zu, dass du scheißclever bist?«
»Nette Ausdrucksweise, Joe.«
»Vielleicht würde ich guter sprechen, wenn ich auch zu Hause unterrichtet worden wäre«, scherzte ich.
»Halt doch die Klappe«, sagtest du. Du nahmst ein Kissen und zieltest damit auf meinen Kopf.
»Ich bin begeistert. Mein Kind hat eine Fünfzig-fünfzig-Chance, ein Genie zu werden«, erwiderte ich, nachdem ich dem Kissen ausgewichen war. Du lächeltest das erste Mal an diesem Tag.
»Muss jeder andere Menschen töten?«, erkundigtest du dich. Das war eine berechtigte Frage. Du wolltest wissen, ob ich mich für diese Aufgabe freiwillig gemeldet hatte.
»Nein, es gibt viele verschiedene Jobs.«
»Und wie bist du bei dem gelandet, den du hast?«
»Eignungstest«, entgegnete ich.
»Du verarschst mich.«
»Ich wünschte, es wäre so, ist es aber nicht. Ich hätte auch beim Geheimdienst landen können, als Ahnenforscher oder in irgendeinem anderen Job. Aber am Anfang deiner Ausbildung wird analysiert, wie du reagierst. Nachdem sie meine Reaktion analysiert hatten, ließen sie mich einen Test machen, und der Test ergab, dass ich einen guten
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