Der Hinterhalt
glaubte. Konnte ich diesen Krieg einfach aufgeben? Konnte ich den einzigen Kampf aufgeben, auf den ich von klein auf vorbereitet worden war? War ich zu alldem bereit? Ich streichelte den Griff der Pistole. Vielleicht gefiel es mir ja zu töten. Vielleicht hatte ich so viel Tod gesehen, dass er das Einzige war, bei dem ich mich wohlfühlte. Ich gab mir Mühe, diese Gedanken aus meinem Kopf zu verdrängen.
Ich nippte immer wieder an meinem Getränk, beobachtete die Eingangstür des Bürogebäudes und wartete darauf, dass sie herauskamen, wartete darauf, dass mein Schicksal aus dieser Tür kam und die Straße in Richtung chinesisches Viertel hinunterging. Ich hatte Angst. Diese Art von Angst hatte ich noch nie empfunden. Nicht einmal in New Jersey, als ich am Strand gekniet hatte, die Hände auf dem Rücken gefesselt, eine Pistole auf mein Gesicht gerichtet, hatte ich solche Angst gehabt. Die Angst, die ich am Strand empfunden hatte, war simpel gewesen. Ich hatte Angst gehabt zu sterben, aber es war nur um mich gegangen. Alles, was ich zu verlieren hatte, war mein eigenes erbärmliches Leben gewesen. Wenn ich jetzt versagte, würde ich dir gegenüber versagen und unserem Kind gegenüber. Bislang war ich Soldat in einem Krieg gewesen, der größer war als ich. Ich war eine Schachfigur gewesen. Darüber war ich mir im Klaren. Ich war ausschließlich für Tod verantwortlich gewesen. Selbst wenn ich versagt hätte, hätte das zum Tod geführt. Ein erfolgreicher Job bedeutete, dass jemand anderer starb, ein missglückter Job hatte zur Folge, dass ich starb. Jetzt trug ich auch Verantwortung für Leben. Das war beängstigend. Während ich allein im Café saß und der Griff der Pistole in meiner Hand ruhte, musste ich mir in Erinnerung rufen, dass mir meine einzige Fähigkeit gute Dienste leisten würde, zumindest noch ein Mal.
Nach ein paar Stunden kam meine Zielperson mit ihrem Gefolge aus dem Gebäude, der neue Leibwächter vorneweg, meine Zielperson in der Mitte, der Amerikaner hinter den beiden. Der neue Bodyguard suchte im Gehen mit den Augen die Straße ab. Für eine Sekunde blickte er in meine Richtung. Ich spürte sein Starren im Bauch. Die drei verließen das Gebäude und gingen die Straße hinunter. Es wurde Zeit, dass ich mich in Bewegung setzte. Plötzlich waren sämtliche Zweifel verflogen. Die Angst war weg. Ich war ein letztes Mal bei der Arbeit. Für Zweifel würde ich wieder Zeit haben, wenn ich fertig war.
Ich folgte ihnen nicht bis zum Restaurant, weil ich befürchtete, entdeckt zu werden. Schließlich wusste ich, wohin sie gingen. Ich musste nur herausfinden, welcher der beiden Leibwächter im Haupt-Essbereich saß und in welchem der beiden Nebenräume sich meine Zielperson befand. Dann würde ich durch die Tür spazieren, beiläufig auf den ersten Bodyguard zugehen, ihn aus nächster Nähe erschießen, in den Nebenraum marschieren, den zweiten Bodyguard erschießen und schließlich meiner Zielperson eine Kugel verpassen. Anschließend würde ich das Restaurant durch die Küche verlassen und für immer verschwinden. Wenn ich erfolgreich war, würde ich mit diesem Job angeben können, doch ich wusste, dass die Zeiten der Angeberei für mich vorbei waren. Wenn dieser Job erledigt war, würde ich Michael und Jared nie wiedersehen. Das konnte ich ihnen nicht zumuten. Ich konnte nicht von ihnen verlangen, für mich die Regeln zu ignorieren.
Als ich zum Restaurant ging, stellte ich mir das Ganze bildlich vor. Ich versuchte, es aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, um sicherzugehen, dass ich nichts übersah. Ich ging davon aus, dass in der Küche niemand versuchen würde, mich aufzuhalten. Das war eine begründete Vermutung, schließlich würde ich eine Pistole in der Hand halten und unter Beweis gestellt haben, dass ich bereit war, sie zu benutzen. Ich versuchte, mir jedes erdenkliche Szenario auszumalen. Im ersten saß meine Zielperson im Nebenraum auf der rechten Seite. Im zweiten im Nebenraum auf der linken Seite. Ich versuchte mir vorzustellen, wie der Job mit den Leibwächtern in jeweils unterschiedlichen Positionen verlaufen würde, und hoffte, dass der neue Bodyguard im Haupt-Essbereich sitzen würde. Ich wollte ihn als Ersten aus dem Weg räumen.
Als ich am Ende des Häuserblocks ankam, spähte ich um die Ecke, um meine Zielperson und ihr Gefolge zu orten. Die drei standen vor dem Restaurant und warteten. Der neue Leibwächter nahm einen langen, tiefen Zug von einer Zigarette. Er hielt den
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