Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
Vom Netzwerk:
die du jemals begangen hast. Denk an alle Menschen, denen du jemals unrecht getan hast. Und jetzt stell dir vor, all diese Leute bekämen die Gelegenheit, sich für diese Sünden an dir zu rächen – ohne sich schuldig zu machen, ohne Konsequenzen. Kannst du mir folgen?« Du nicktest. »Und jetzt stell dir vor, das, was du ihnen angetan hast, wäre unverzeihlich.«
    Ich sah dir in die Augen. Du hattest Angst. Das war gut. Angst würde uns gute Dienste leisten. »Sie werden Jagd auf uns machen. Sie werden Jagd auf uns machen und versuchen, mich zu töten. Sie werden versuchen, mich zu töten, und sie werden versuchen, uns unser Kind wegzunehmen. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was dir blüht.«
    »Wer sind sie?«, fragtest du, doch was du eigentlich meintest, war: Wie lang ist deine Liste, Joe?
    »Ich weiß nicht, wer sie sind«, erwiderte ich, »aber sie sind viele. Trau niemandem, Maria.«
    Nach unserem Gespräch lagen wir beide noch eine Zeit lang wach, lauschten den zirpenden Grillen, lauschten, ob irgendwelche seltsamen Geräusche aus dem Wald drangen. Schließlich schliefen wir ein.
    Am nächsten Morgen frühstückten wir trockene Cornflakes und Wasser aus dem Kofferraum. Das Thema Geld hatte ich dir gegenüber bislang noch nicht angesprochen. Ich wollte dich nicht mit Problemen überhäufen. Du hattest bereits genug zu verdauen. Es würde jedoch nicht mehr lange dauern, bis Geld zu einem Problem wurde. Wir hatten zusammen weniger als fünfhundert Dollar. Ich war im Besitz der Kreditkarten, wagte es aber nicht, sie noch einmal zu verwenden. Ab jetzt waren wir vom Koordinatensystem verschwunden. Seit wir das Haus meiner Mutter verlassen hatten, waren sieben Stunden vergangen. Nach sieben Stunden hätten wir uns irgendwo zwischen Montreal, Cleveland und Richmond in Virginia befinden können. Das war ein großer Radius. Wir würden jedoch Geld brauchen und einen Arzt, der deine Schwangerschaft überwachte. Letzten Endes würde ich mir Arbeit suchen müssen. Entweder das oder stehlen, aber ich hatte mich nie als Dieb gesehen.
    Wir waren etwa neun Stunden von Chicago entfernt, doch ich wollte frühestens in zwei Tagen dorthin fahren. In Chicago konnte ich vielleicht Arbeit finden. Vielleicht konnten wir uns dort eine billige Wohnung suchen. Vielleicht konnten wir dort ein bisschen zur Ruhe kommen. Das hörte sich gut an, aber das Wort »vielleicht« kam zu oft darin vor.
    Wir hatten vor, in den nächsten zwei Tagen Großstädte zu meiden und uns bedeckt zu halten. Außerdem wollte ich nicht, dass du zu lange am Stück im Auto sitzen musstest. Das würde dir nicht guttun. Ich hatte Veränderungen bei dir festgestellt. Du brauchtest wesentlich mehr Schlaf. Dein Appetit war unstillbar. Wenn du weiterhin so viel essen würdest, würde nach zwei Tagen nichts mehr von dem Reiseproviant übrig sein, den wir mitgenommen hatten. Wir würden deshalb unterwegs essen gehen, allerdings nur fernab vom Highway. Der Highway war gefährlich. Die Leute, die uns auf den Fersen waren, würden dort unterwegs sein. Von diesen Leuten mussten wir uns fernhalten. Mir fiel auf, dass du mit Übelkeit zu kämpfen hattest, auch wenn du versuchtest, das vor mir zu verbergen. Du musstest dich zwar nicht übergeben, aber ich ertappte dich dabei, wie du dir mit schmerzverzerrtem Gesicht den Bauch hieltst. Ich nahm an, dass das normal war. Ich hoffte, dass es normal war.
    Der erste Tag verlief angenehm ereignislos. Die folgende Nacht ebenfalls. Wir frühstückten in einem kleinen Esslokal in irgendeiner Ortschaft mitten im Bundesstaat, die vom Maisanbau lebte. Anschließend fuhren wir wieder ein paar Stunden lang auf dem Highway in Richtung Westen. Der Highway machte mich nervös. Ich fühlte mich wesentlich besser, wenn wir abseits der großen Straßen unterwegs waren. Wir hielten an einer Tankstelle, wo ich eine detaillierte Karte des Bundesstaats kaufte. Die Spritpreise würden unser Budget ziemlich schnell dahinschmelzen lassen, doch wir hatten keine andere Wahl. Im Notfall konnten wir immer noch versuchen, nachts den Tank anderer Autos anzuzapfen. Doch es war sicherer, wenn wir damit noch eine Weile warteten. Vorerst mussten wir einfach unsichtbar bleiben.
    Du schliefst die meiste Zeit, während wir fuhren. Im Lauf des Tages hielten wir einmal an. Ich gab dir die Karte, und du verschlangst sie regelrecht. Du hast jede Ausfahrt markiert und jede Sehenswürdigkeit angekündigt, an der wir vorbeikamen, ob wir sie von der Straße aus sehen

Weitere Kostenlose Bücher