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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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Großvater bestellte immer Rühreier extra trocken. Ich erinnere mich nicht mehr an seine Stimme, aber ich kann mich erinnern, was er aß. Das Gedächtnis ist in dieser Hinsicht seltsam. Wenn wir fertig gegessen hatten, stiegen wir wieder in den Kombi und fuhren nach Hause.
    Für die Heimfahrt einschließlich Frühstück brauchten mein Großvater und ich etwa zwei Stunden, in denen wir um die fünfzig Meilen zurücklegten. Wenn wir zu Hause ankamen, gingen wir in den Garten. Dort standen zwei Liegestühle vor dem Taubenschlag, den mein Großvater gebaut hatte. Wir setzten uns und warteten. Da es noch früh war, hatte der Morgentau auf dem Gras im Garten gerade erst begonnen zu trocknen. Nachdem wir uns gesetzt hatten, nahm mein Großvater seine Uhr und sein Klemmbrett zur Hand, und wir warteten. Bald kehrten die Tauben, die nicht lange zuvor so erpicht darauf gewesen waren, ihren Käfigen zu entkommen und davonzufliegen, eine nach der anderen zurück. Sie landeten in der Nähe des Taubenschlags und hüpften wieder in ihre Käfige. Sie hätten überallhin fliegen können. Und doch, hier waren sie und stachen vom Himmel herab, kehrten zurück in den kleinen Taubenschlag, den mein Großvater in seinem Garten errichtet hatte. Mein Großvater erkannte jede von ihnen mit einem Blick. Wenn sie zurückkamen, notierte er ihre Ankunftszeiten auf seinem Klemmbrett, damit er sie mit den Zeiten der vergangenen Wochen vergleichen konnte. Er lächelte, wenn eine seiner Favoritinnen als Erste zurückkehrte, und er machte sich Sorgen, wenn eine bestimmte Taube länger brauchte, als er erwartet hatte. Letzten Endes kamen immer alle zurück. Mein Großvater verlor nie eine Taube. Sie kämpften sich gegen Wind und Wetter voran und überwanden alle anderen Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellten. Nachdem sich alle wieder im Taubenschlag befanden, machte mein Großvater die Tür zu und ließ das Schloss zuschnappen. Als Kind wunderte ich mich immer, warum die Tauben sich so abmühten, nur um anschließend wieder in ihre Käfige gesperrt zu werden. Als ich an jenem Abend mit dir aus New Jersey hinausfuhr, hatte ich endlich das Gefühl, es zu wissen.
    Binnen Minuten durchquerten wir das Durchbruchstal und ließen New Jersey für immer hinter uns. Wir befanden uns jetzt in Pennsylvania, und je weiter wir fuhren, desto ländlicher wurde die Gegend. Wir waren von Bäumen umgeben. Der zweispurige Highway vor uns schien sich in die Unendlichkeit zu erstrecken. Wir legten Meile um Meile zurück, und trotzdem fühlte es sich an, als kämen wir nicht von der Stelle. Wir kämpften uns voran, machten Boden gut. Um kein Aufsehen zu erregen, fuhr ich ein paar Meilen in der Stunde langsamer als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Hin und wieder überholte uns ein Lastwagen, oder wir sahen die Scheinwerfer von einem, der in die Richtung fuhr, aus der wir kamen. Die meiste Zeit sahen wir allerdings nur Bäume.
    Ich gab mir Mühe, mich strikt an unseren Zeitplan zu halten. Disziplin. Das war es, was wir brauchten. Halte dich immer an den Plan. Sei immer bereit, deine Pläne spontan zu ändern. Um halb vier Uhr morgens verließ ich den Highway über eine Ausfahrt, die zu einer kleinen Stadt irgendwo in Pennsylvania führte. Wir hatten vor, abseits der Straße zu parken, die Schlafsäcke auszupacken und zu versuchen, ob wir ein paar Stunden schlafen konnten, ehe die Sonne aufging. Die Nacht war ziemlich klar. Es war frisch, aber nicht allzu kalt. Wir würden das Zelt nicht aufzustellen brauchen. Als wir in einer ländlichen Gegend an einer alten Tankstelle vorbeikamen, legten wir einen Boxenstopp ein. Neben der Werkstatt standen drei heruntergekommene, auf Betonblöcken aufgebockte Autos. Ich bog auf den Parkplatz ein und hielt an.
    »Warum halten wir hier?«, wolltest du wissen. Du hattest nicht geschlafen. Ich hatte gedacht, du würdest trotz deiner Angst schlafen können. Fehlanzeige. Ich deutete auf die alten Autowracks am Rand des Grundstücks. »Wir klauen ein Auto? Wir klauen eines von denen da?«, fragtest du ungläubig.
    »Nein, nicht ein Auto«, erwiderte ich. »Wenn du ein Auto klaust, suchen sie nach dir.« Ich wühlte in meiner Reisetasche, die auf dem Rücksitz stand, bis ich mein Taschenmesser fand. »Wir nehmen nur die Nummernschilder mit.« Die Leute, die nach uns suchten, wussten, welches Auto wir fuhren. Sie kannten die Marke, das Modell und höchstwahrscheinlich auch das Kennzeichen. Ich schraubte von einem der Autos die

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