Der Hinterhalt
schon gesagt, Maria. Ich weiß es nicht.«
»Wir könnten uns doch ein Hotel suchen.« Aus deiner Stimme war ein Funken Hoffnung herauszuhören.
Ich schüttelte den Kopf. »Wir müssen unser Geld zusammenhalten, Maria. Es geht ohnehin schon so viel für Essen und Benzin drauf. Wir brauchen noch was, wenn wir in Chicago sind. Hier ist es einfacher, obdachlos zu sein, als dort.« Meine Worte deprimierten mich.
»Und wenn wir uns was richtig Billiges suchen?«, fragtest du. Ja, das war genau, was ich wollte, mit meiner schwangeren siebzehnjährigen Freundin in einem billigen Motel in der hintersten Provinz von Ohio absteigen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass alles, was Allen über mich gesagt hatte, der Wahrheit entsprach.
»Vielleicht«, erwiderte ich, um das Thema zu beenden. Ich hatte ungefähr die Hälfte meines Burgers gegessen. Du verschlangst deine Suppe und dein Sandwich. »Möchtest du den Rest von mir?«, fragte ich und deutete auf meinen halbleeren Teller.
»Du bist echt ein Gentleman«, sagtest du. Deine Stimme triefte vor Sarkasmus.
»Ja oder nein?«, erwiderte ich.
»Klar«, sagtest du. Ich schob dir den Teller hin.
Ich brauchte etwas Zeit für mich allein. »Ich gehe mal kurz auf die Toilette«, sagte ich. »Ich bin gleich wieder da.« Bevor ich ging, warf ich noch einmal einen Blick auf den Jugendlichen. Er hatte irgendetwas an sich. Ich war mir sicher, dass er meinen Blick spürte, aber er sah mich nicht an. Da ich nicht lang weg sein würde, rechnete ich nicht damit, dass es Schwierigkeiten geben würde. Also ging ich auf die Toilette und schloss die Tür hinter mir. Der Raum war winzig. Auf der einen Seite befand sich ein WC, auf der anderen ein Waschbecken mit Spiegel. Die Toilette war kaum größer als die in einem Flugzeug. Ich stellte mich vors Waschbecken, drehte den Hahn auf, ließ kaltes Wasser in meine hohlen Hände laufen und spritzte es mir ins Gesicht. Dann betrachtete ich mein Gesicht im Spiegel. Ich sah alt aus. Im Vergleich zu dem Jugendlichen im Lokal sah ich aus wie ein Greis.
Ich kann mich nicht erinnern, wie lange ich mich auf der Toilette aufhielt, da ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Vermutlich war ich nicht länger als fünf Minuten weg, doch das war zu lang gewesen und erwies sich als Fehler. Der Jugendliche hatte sich bewegt: Das zuckende Nervenbündel hatte sich auf den Hocker neben dir gesetzt. Ihr beiden unterhieltet euch. Ich hätte dich am liebsten angefahren. Ich wäre am liebsten auf dich zugegangen und hätte dir gesagt, dass du nicht mit Fremden sprechen sollst. Wahrscheinlich wollte er dich nur anmachen. Das hätte ich an seiner Stelle sicher auch getan. Dennoch hatte ich das ungute Gefühl, dass die Angelegenheit in Gewalt enden würde.
Trotz meiner Vorahnung machte ich gute Miene zum bösen Spiel. Ich ging zurück zu meinem Hocker und setzte mich hin. Du drehtest dich zu mir, als ich wieder saß. »Joe«, sagtest du, »das ist Eric. Er hat uns reden hören und mir gesagt, er wüsste was Nettes, Billiges, wo wir heute übernachten können.«
Ich streckte dem Jugendlichen die Hand hin. »Freut mich, dich kennenzulernen, Eric.« Dann beobachtete ich seine Reaktion. Er blickte auf meine Hand, zögerte, wusste nicht, was er tun sollte. Er zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber ich war sicher, er zögerte. Er wollte mich nicht berühren. Er war einer von ihnen, daran bestand kein Zweifel. Er war einer von ihnen, und er wusste, wer ich war. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis er sein Selbstvertrauen zurückgewann, doch in diesem Augenblick hatte er sich verraten.
»Hey« war alles, was er sagte, als ich ihm die Hand schüttelte. Ich hasste den Jugendlichen, hasste ihn abgrundtief. Ich hasste ihn dafür, dass er mit dir gesprochen hatte. Ich hasste ihn dafür, dass er uns nachspioniert hatte. Ich hasste ihn dafür, dass ich ihn töten musste.
»Du hast also einen Vorschlag, wo wir heute Nacht absteigen können?«, fragte ich und sah ihm dabei fest in die Augen, um zu prüfen, ob er meinem Blick standhielt.
»Ja«, erwiderte er und starrte wieder auf sein Getränk. »Ich kenne einen Typen, der ein Zimmer übrig hat. Er versucht schon länger, es zu vermieten, hat aber bislang kein Glück gehabt. Ich bin sicher, er lässt euch für zwanzig Dollar übernachten.«
Du sahst mich mit erwartungsvollem Blick an. Ich konnte in deinen großen blauen Augen beinahe deine Gedanken lesen. Ein Bett war alles, was du wolltest. »Tja, der
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