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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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bis sie auftauchten. Zunächst entdeckte ich keinen von ihnen. Der Strand war noch immer ziemlich voll. Ungefähr alle anderthalb Meter lag ein Handtuch oder eine Decke. Der Anblick glich einem Postkartenmotiv aus den 1950er-Jahren. Ich holte mein Handtuch aus dem Rucksack und ging zum Meer hinunter. Dann breitete ich es gut fünf Meter vom Wasser entfernt im Sand aus und legte mich hin. Die Luft war warm. Ich bin mir nicht sicher, ob ich eingeschlafen bin. Wenn dem so war, muss ich von anderen Sandstränden geträumt haben, da ich mich an nichts anderes erinnere. Zumindest nicht, bis Michael kam und mir Sand ins Gesicht kickte.
    »Du Arschloch«, sagte ich, ohne die Augen zu öffnen, da ich mir der Anwesenheit der Kinder um mich herum überhaupt nicht bewusst war. Ich sprang auf und rannte los. Erst nach etwa der Hälfe des Strandes holte ich Michael ein. Er versuchte zu entkommen, indem er im Zickzack lief, wusste jedoch, dass ich mehr Ausdauer besaß als er. Schließlich stürzte ich mich auf seine Beine und brachte ihn zu Fall. Dann kletterte ich auf seinen Rücken und drückte ihm das Gesicht in den Sand. »Ich habe mich prächtig amüsiert, bis du aufgetaucht bist«, sagte ich zu ihm.
    »Geh runter von mir, Fettsack«, murmelte er mit Sand im Mund. Ich ließ ihn wieder aufstehen, und er versuchte, so viel Sand wie möglich von seinem Körper abzuwischen. Es war eine Sisyphusarbeit. Nach jedem Wischen blieb ein weißer Rest zurück. »Du weißt wirklich, wie man jemanden begrüßt«, beklagte er sich, während er versuchte, seinen Rücken vom Sand zu befreien.
    »Du hast angefangen.« Ich fühlte mich, als wäre ich wieder zwölf.
    »Also gut«, erwiderte Michael. »Lass dich drücken.« Er zog mich an sich und umarmte mich fest. Ich roch den Kokosduft seiner Sonnencreme. »Schön, dass du da bist, Joey. Wir kommen seit drei Tagen täglich hierher.«
    »Ja, tut mir leid, aber ich habe es einfach nicht früher geschafft«, sagte ich. »Ich nehme an, wir wohnen nicht an diesem Strand.«
    »Nein. Ich habe ein tolles Appartement am Meer für uns gefunden, ungefähr fünfzehn Querstraßen von hier.«
    »Wo ist Jared?«
    »Er ist in unserem Appartement, kümmert sich um die Drinks und wartet darauf, dass du auftauchst, du fauler Sack.« Michael warf mir einen langen Blick zu. Ich erwiderte ihn. Was ich sah, war mein siebzehnjähriger Freund, wenngleich fast ein Jahrzehnt vergangen war, seit wir in diesem Alter gewesen waren. Es kam mir vor, als würde ich durch eine Zeitmaschine blicken. Wenn ich Michael ansah, sah ich nur einen unschuldigen, glücklichen Jungen – obwohl er keinesfalls mehr unschuldig war. »Also, was möchtest du tun?«, fragte er schließlich.
    »Lass uns einfach zu unserem Appartement gehen«, erwiderte ich.
    Da wir keine Eile hatten, gingen wir die fünfzehn Querstraßen am Strand entlang. Das war alles, was ich mir von der Woche erwartete: keine Eile. Wir gingen nah am Wasser, und jedes Mal, wenn eine Welle heranrollte, spürte ich, wie das warme Wasser meine Knöchel umspülte. Michael beäugte im Gehen die Frauen am Strand. Er starrte jede Einzelne von ihnen an. Weder Alter noch Gewicht schreckten ihn ab. »Hast du denn gar keine Ansprüche?«, fragte ich ihn, als er eine Frau Ende vierzig anstarrte, als diese ihre Shorts auszog und sich auf eine Decke legte.
    Michael kam einen Schritt näher und legte im Gehen den Arm um mich. »Ich sehe eben überall Schönheit«, entgegnete er mit einem Grinsen.
    »Genau«, erwiderte ich.
    »Komm schon, Mann. Du musst ein bisschen lockerer werden. Was glaubst du denn, wozu Strände da sind? Um zu gaffen und begafft zu werden – darum dreht sich alles, Joe.«
    »Alles, ja?«
    »Alles.« Michael lachte. »Das ist noch gar nichts, Joe. Wart ab, bis wir nach Saint Martin kommen. Die Strände dort sind wie ein dreidimensionales Pornomagazin.« Diesmal lachte ich. »Ein Paradies«, fuhr er fort. »Wie der Garten Eden, nur dass man nicht rausgeschmissen wird, wenn man einen Ständer bekommt.« Er nickte, während er sprach. Es klang ziemlich vielversprechend.
    Nach einem ungefähr fünfundvierzigminütigen Fußmarsch näherten wir uns dem Haus. Meine Haut kribbelte bereits durch die Sonneneinstrahlung, und ich konnte es kaum erwarten, in den Schatten zu kommen. Michael hatte uns ein Appartement unmittelbar am Strand besorgt. Es befand sich im Obergeschoss eines kleinen Zweifamilienhauses. Als wir den Hügel hinauf und auf das Haus zugingen, sah ich Jared lesend

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