Der Hinterhalt
unmittelbar im Anschluss an die Jobs war, die wir im nur wenige Stunden entfernten New York erledigt hatten. Aber manchmal hatte man einfach keine Lust mehr davonzulaufen.
Ohne Auto war Long Beach Island nicht ganz einfach zu erreichen. Ich musste zurück nach Philadelphia fliegen, von dort einen Zug nach Atlantic City nehmen und mir dann einen Taxifahrer suchen, der bereit war, die einstündige Fahrt zu machen. Ich bot an, das Doppelte zu bezahlen, da ich wusste, dass er niemals einen Fahrgast für den Rückweg finden würde. Es war mitten am Tag. Da keine Schlange von Leuten auf Taxis wartete, erklärte er sich widerwillig bereit. Mein Fahrer war ein großer Schwarzer mit Bart und kurz geschorenem Haar. In Atlantic City gab es eine Menge Schwarze. Auf Long Beach Island dagegen konnte man sie an einer Hand abzählen. Sie stachen heraus. Deshalb erkannte ich ihn sofort wieder, als ich ihn das nächste Mal sah.
Ich hatte nur einen Rucksack mit Badeshorts, einem Strandtuch und etwas Wechselbekleidung bei mir. Und etwa fünfhundert Dollar in bar. Da Nachsaison war, leerte sich die Insel bereits langsam. Die Küste von New Jersey funktioniert wie ein Wasserhahn. Am Memorial Day wird er aufgedreht, und die Strände füllen sich und bleiben den ganzen Sommer brechend voll. Am Labor Day wird er wieder zugedreht, bis nur noch ein Rinnsal übrig ist, dann ein Tröpfeln, und schließlich ist die ganze Gegend menschenleer. Es war Mitte September. Um diese Jahreszeit hatte ich die Küste schon immer am liebsten gemocht. Das Wasser war warm, die Luft noch immer heiß, und es war nicht mehr viel los.
Der Taxifahrer und ich sprachen unterwegs nicht viel miteinander. Ich war froh darüber. Es sollte das, was ich später tat, viel einfacher machen. Als wir an der Brücke ankamen, die auf die Insel führt, fragte er nur: »Wohin?« Er sprach mit leichtem karibischem Akzent, ein Überbleibsel aus seiner Jugend, die er an einem exotischeren Ort als New Jersey verbracht hatte. Mit Michael und Jared hatte ich keinen Kontakt mehr gehabt, seit sie mich am Flughafen von Philadelphia abgesetzt hatten. Trotzdem wusste ich, wohin ich musste.
»Beach Haven«, sagte ich dem Fahrer. Es war immer Beach Haven. Michael bevorzugte diesen Ort. Es gab dort mehr Bars als in den anderen Orten. Und mehr alkoholisierte Frauen.
»In Ordnung, Sir«, erwiderte der Fahrer. Während er fuhr, öffnete ich meinen Rucksack und holte meine Badeshorts hervor. Ich zog auf dem Rücksitz meine Jeans aus und schlüpfte in die Badeshorts. Der Taxifahrer beobachtete mich im Rückspiegel und schüttelte den Kopf. Ich weiß nicht, was er in dem Moment dachte.
»Ich ziehe nur meine Badeshorts an«, erklärte ich, und er wandte den Blick ab. Die Sonne schien hell auf die kleine Insel herab. Wir fuhren über die Brücke und bogen rechts nach Beach Haven ab. Als wir dort ankamen, sagte ich ihm, in welche Straße er einbiegen solle, und bat ihn, mich am Strand abzusetzen.
»Danke, Kumpel«, sagte ich beim Aussteigen.
»Ich bin nicht Ihr Kumpel«, erwiderte er, nahm mein Geld und zählte es. Eine tolle Art und Weise, um einen Urlaub zu beginnen, dachte ich. Dabei wusste ich noch nicht einmal die Hälfte. Ich trat auf den heißen Asphalt, war aber nur zwei Schritte vom weißen Sand entfernt, der zum Strand führte. Einen Augenblick später gruben sich meine Zehen in den feinen, puderartigen Sand. Früher, als wir Kinder waren, war er sogar noch weicher gewesen, bevor man in dem vergeblichen Versuch, die Insel davor zu bewahren, für immer weggespült zu werden, damit begonnen hatte, anderen Sand heranzukarren. Ich ging den schmalen Pfad entlang, der über die Dünen zum Strand führte. Der Taxifahrer wartete und beobachtete mich, bis ich den kleinen Hügel erklommen hatte. Erst dann hörte ich ihn wegfahren.
Oben auf dem Hügel angekommen blickte ich auf das Meer vor mir. Mein Gott, es war einfach wunderschön. Jedes Mal, wenn ich es sah, fühlte ich mich wieder ganz klein. Ich liebte dieses Gefühl. Die Sonne brannte auf die Wasseroberfläche und ließ die Wellen glitzern, die auf den Strand zurollten. Ich fühlte mich zu Hause. Dieser Ort war einer von nur zwei oder drei Orten auf der Welt, die mir dieses Gefühl vermittelten.
Nachdem ich das Wasser ein paar Augenblicke lang betrachtet hatte, suchte ich den Strand nach meinen Freunden ab. Hier trafen wir uns jedes Mal: an diesem Strand. Entweder würde ich sie sehen, oder ich würde mich in den Sand legen und warten,
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