Der Hinterhalt
vergraben, und schenktest mir ein Lächeln, das meine Welt erbeben ließ. Dann hobst du eine Hand in einem angedeuteten Winken, ohne sie dabei aus der Tasche zu nehmen, und riefst mir zu: »Mach’s gut, Perverser!« Dann drehtest du dich ein drittes Mal von mir weg und warst verschwunden.
Meine Tarnung war hinüber. Der Australier würde sich nun mit Sicherheit an mein Gesicht erinnern. Ich musste für heute Schluss machen, obwohl ich noch kaum etwas erledigt hatte. Aber es hatte sich gelohnt. Dein Lächeln war es wert gewesen, auch wenn ich vermutete, dass ich dieses Lächeln niemals wieder sehen würde.
Bevor ich mich auf den Rückweg zu der sicheren Unterkunft machte, ging ich noch einmal auf die andere Seite des Mount Royal, um die Festung meiner Zielperson zu inspizieren. Ich dachte, dass ich in Abwesenheit der Bodyguards womöglich irgendein Schlupfloch finden könnte, durch das ich passte. Dazu untersuchte ich das Haus ein paar Stunden lang und beobachtete, wie die Hausangestellte von Zimmer zu Zimmer ging und putzte. Als ich sie nach Hause gehen sah, machte ich mich ebenfalls auf den Heimweg. Ich würde meine Arbeit am nächsten Tag fortsetzen. Ab jetzt war besondere Sorgfalt nötig. »Kein Flirten mehr mit Fremden«, sagte ich mir. Nur mit dir.
Am nächsten Tag hielt meine Zielperson ein Seminar an der McGill University. Meiner Ansicht nach war die Teilnehmerzahl groß genug, dass ich mich hinten in den Hörsaal setzen konnte, ohne aufzufallen. Ich setzte eine Schildmütze des Montreal-Canadiens-Eishockeyteams auf, die ich mir gekauft hatte, und zog sie so tief in die Stirn, dass mein ganzes Gesicht verdeckt sein würde, wenn ich den Blick nach unten in mein Notizbuch richtete. Dann packte ich meinen Rucksack und machte mich auf den Weg zur Universität. Wenn alles nach Plan lief, würde diese Überwachung einfach werden. Sich Notizen zu machen trug sonst nur selten zur Tarnung bei.
Als ich den Campus der McGill University erreichte, herrschte dort bereits reges Treiben. Überall waren Studenten. Tausende von Studenten, die meisten von ihnen nur ein paar Jahre jünger als ich, betraten und verließen Gebäude, trugen Bücher umher, wanderten von Vorlesung zu Vorlesung. Ich trat durch das Tor an der University Street und fühlte mich ausnahmsweise einmal wie ein normaler Mensch, der zu seiner ersten Uni-Vorlesung geht. Ich hatte mein Notizbuch, meinen Rucksack und meine Bleistifte bei mir. Das fühlte sich unwirklich an, aber ich fühlte mich gut. Der einzige Unterschied zwischen mir und den anderen Studenten bestand darin, dass ich vorhatte, meinen Professor umzubringen.
Ich machte mich auf den Weg zu dem Hörsaal, in dem meine Zielperson unterrichten würde, und wartete vor der Tür, während nach und nach immer mehr Studenten hineinmarschierten. Ich zählte die Köpfe, als sie durch die Tür traten. Der Kurs hatte hundertfünfzig Teilnehmer, und ich ging davon aus, dass heute mindestens fünfundsiebzig von ihnen anwesend sein würden. Ich wartete, bis fünfzig weitere Studenten den Hörsaal betreten hatten, dann ging ich ebenfalls hinein. Ich suchte mir meinen Sitzplatz sorgfältig aus und entschied mich für die Reihe, die sich zwei Reihen vor den Studenten befand, die am weitesten hinten saßen. Als ich auf einen freien Sitzplatz etwas außerhalb der Mitte zusteuerte, gab ich mir alle Mühe, nicht aufzufallen. Ich suchte den Hörsaal schnell mit den Augen ab. Er bot etwa dreihundert Studenten Platz und füllte sich rasch fast zur Hälfte, während ich mir den Weg zu dem von mir auserkorenen Sitzplatz bahnte. Die Vorlesungen meiner Zielperson waren offenbar beliebt. Er stand bereits am Pult, wühlte in seinen Notizen und unterhielt sich mit einem Fakultätskollegen. Ich suchte den Raum nach den Bodyguards ab, und es dauerte nicht lange, bis ich den ersten entdeckte. Er stand ganz vorne im Hörsaal, in einer der Ecken. Heute ohne Anzug. Wäre er nicht so groß gewesen, wäre er unter den Studenten womöglich gar nicht aufgefallen. Er trug Khakihosen und ein blaues Sweatshirt und stand mit dem Rücken zur vorderen Wand. Von dort konnte er mit einem Blick den gesamten Raum überschauen. Ich brauchte etwas länger, um den Australier ausfindig zu machen. Er hatte hinten im Raum Stellung bezogen. Diese Position war naheliegend. Von ihren Aussichtspunkten konnten die beiden Leibwächter problemlos jede verdächtige Bewegung wahrnehmen und ihr einen Riegel vorschieben, bevor aus verdächtig gefährlich
Weitere Kostenlose Bücher