Der Hinterhalt
Sweatshirts ab und entfesseltest eine wilde Flut dunklen Haars. Die unglaubliche Menge von Locken ließ dich noch lebendiger wirken. Bereits nach zwanzig Minuten hatte ich dir mehr über mein Leben erzählt, als ich jemals zuvor irgendeiner Frau erzählt hatte. Ich erzählte dir von meiner Kindheit in New Jersey. Ich erzählte dir so viel ich konnte vom Tod meines Vaters und meiner Großeltern. Ich erzählte dir, dass ich geschäftlich um die Welt reiste.
»Du bist also gar kein Student?«, fragtest du.
»Ich besuche Vorlesungen, wenn ich kann«, erwiderte ich, um meine Fährte zu verwischen. Mir wurde bewusst, dass es dich womöglich abschrecken würde, wenn ich zu früh zu ehrlich war. Deshalb drehte ich den Spieß um und stellte dir Fragen. Wie alt du seist. »Ich bin im zweiten Jahr.« Was du studieren würdest. »Ich schwanke zwischen Psychologie und Religionswissenschaft. Mich interessiert sehr, wie Leute ticken.« Was du in deiner Freizeit machen würdest. »Fremde Amerikaner vor Strip-Clubs aufgabeln und wilde, heiße Affären mit ihnen anfangen.« Ich wäre beinahe an meiner heißen Schokolade erstickt. Meine Reaktion brachte dich zum Kichern. Wo du aufgewachsen seist. »In der Nähe von Toronto in London, Ontario.« Familie? »Typische Durchschnittsfamilie. Ich bin Einzelkind.« Die Unterhaltung ging so weiter, während der Nachmittag verfloss. Ich vergaß völlig, dass ich einen Job zu erledigen hatte. Du verlorst ebenfalls jegliches Zeitgefühl. Plötzlich blicktest du auf die Uhr. »Oh, Scheiße, ich komme zu spät in die nächste Vorlesung.« Du sprangst auf, warfst dir deinen Rucksack über die Schulter und gingst in Richtung Tür.
Ich stand auf und begann zu fragen: »Wann …?« Ich hätte das nicht tun sollen. Das war unprofessionell. Es fühlte sich aber gut an. Ich hatte es satt, einsam zu sein. Ich wollte wissen, wie sich ein echtes Leben anfühlt. Ich wollte mich in dich verlieben. Zum Glück machtest du es mir leicht.
»Treffen wir uns morgen Abend um acht vor dem Paramount-Kino in der St. Catherine Street?« Du schenktest mir ein letztes Lächeln und eiltest zur Tür hinaus. Dann warst du wieder weg. Ich wusste bereits eine Menge über dich, doch dann fiel mir plötzlich auf, dass ich vergessen hatte, dich nach deinem Namen zu fragen.
Ich verbrachte den Abend allein in der sicheren Unterkunft, wärmte mir ein Tiefkühlgericht auf und brütete über meinen Notizen der vergangenen Tage. Ich war mit meiner Observation ungefähr anderthalb Tage im Rückstand, doch es war fraglich, ob anderthalb Tage mehr etwas gebracht hätten. In der Routine meiner Zielperson schien es keine Löcher zu geben. Mehr Observation hätte vermutlich nur zu mehr Frust geführt. Während ich mich bemühte, einen Plan auszuarbeiten, der mich nicht umbringen würde, ließ ich mich ständig ablenken, indem ich an dich dachte. Ich versuchte immer wieder, mich an Details unserer Unterhaltung zu erinnern. Da ich anfing, mich verrückt zu machen, musste ich unbedingt versuchen, dich aus meinen Gedanken zu verbannen. Morgen Abend, acht Uhr, rief ich mir fortwährend in Erinnerung. Dann ermahnte ich mich zu atmen.
Ich musste noch einiges an Arbeit erledigen und durfte nicht übereilt versuchen, den Professor zu töten, wenn ich irgendeine Chance haben wollte, bei diesem Job mit dem Leben davonzukommen. Deshalb fing ich an, den einzigen Plan zu schmieden, von dem ich glaubte, er könne funktionieren, ohne dass ich dabei getötet werden würde. Dieser Plan erforderte einen vollen Tag Observation des Hauses meiner Zielperson. Ich wollte wissen, wann die Hausangestellte kam, wann sie ging, welche Aufgaben sie erledigte und in welcher Reihenfolge sie diese Aufgaben erledigte. Ich musste herausfinden, wie viel Zeit sie in jedem Zimmer verbrachte und wann. Ich musste so viel wie möglich über die Bewegungsmelder-Kameras in Erfahrung bringen, die um das Haus herum montiert waren. Ich wusste, von welchem Hersteller sie stammten und um welches Modell es sich handelte. Sie waren auf dem neuesten Stand der Technik und reagierten sowohl auf Bewegung als auch auf Wärme. Wenn sich im Garten irgendetwas bewegte oder Wärme abgab, zoomten sämtliche Kameras dieses Etwas heran. Falls es mehrere Veränderungen gab, wie zum Beispiel zwei Körper, die sich bewegten, oder einen Körper, der sich bewegte, und etwas anderes, das Wärme abgab, zoomte jede Kamera das heran, was in der geringsten Entfernung passierte.
Ich musste mich
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