Der Hinterhalt
Küchentheke. Niemand sagte ein Wort. Als die Hausangestellte dann anfing, in der Küche aufzuräumen, zogen sich beide Männer in ihr jeweiliges Badezimmer zurück, duschten und machten sich für den Tag fertig. Der Australier war mit einem dunkelblauen Anzug und einer einfarbig dunkelblauen Krawatte bekleidet, der typischen Bodyguard-Uniform. Außerdem trug er ein Headset, über das er mit dem anderen Leibwächter kommunizieren konnte. Meine Zielperson trug einen dunkelgrauen Anzug und ein gelbes Hemd ohne Krawatte.
Um Punkt acht Uhr tauchte der andere Leibwächter auf. Er und der Australier waren identisch gekleidet. In ihren Arbeitsuniformen waren sie nur auseinanderzuhalten, weil der Amerikaner dunkleres Haar und einen Kinnbart hatte. Die beiden scherzten ein bisschen miteinander, während ihr Boss ins Schlafzimmer zurückging, um seine Aktentasche zu holen. Ich sah, wie sie abwechselnd sprachen und lachten. Sobald meine Zielperson zurückkehrte, wirkten sie stoisch wie Statuen. Um Viertel nach acht brachen die drei auf. Ich begab mich auf die Vorderseite des Hauses und sah sie wegfahren. Der Zivilist und meine Zielperson saßen auf dem Rücksitz. Der andere Leibwächter fuhr den Wagen. Da sie mit dem Auto unterwegs waren, konnte ich ihnen natürlich nicht auf den Fersen bleiben. Meinen Informationen zufolge würden sie jedoch ins Büro meiner Zielperson fahren und sich dort die nächsten Stunden aufhalten. Ich rief ein Taxi und folgte ihnen in die Innenstadt.
Die nächsten vier Stunden verbrachte ich in einem Café gegenüber vom Bürogebäude meiner Zielperson. Ich wagte es nicht, das Gebäude zu betreten, da mein Gesicht dabei aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Kamera erfasst worden wäre. Dafür war ich noch nicht bereit. Stattdessen blieb ich einfach in dem Café auf der anderen Straßenseite sitzen, las Zeitung und behielt die Tür und die Tiefgaragenausfahrt im Auge, um mitzubekommen, wenn meine Zielperson das Gebäude verließ. In diesen vier Stunden lernte ich fast nichts Neues dazu.
Gegen halb eins kam meine Zielperson dann schließlich mit den Leibwächtern im Schlepptau zur Tür heraus. Ich hatte mir bereits die Rechnung bringen lassen, zahlte und ging nach draußen. Offenbar gingen sie zu Fuß zu dem Strip-Club. Ich nahm an, dass das vom Wetter abhing, hatte jedoch nichts dagegen, mir die Füße zu vertreten. Meine Zielperson ging neben dem zivilen Leibwächter, während der Amerikaner den beiden mit zwei Schritten Abstand folgte. Die Bodyguards waren äußerst gewissenhaft. Sie hätten durchaus vom Geheimdienst ausgebildet worden sein können. Der Leibwächter an der Seite meiner Zielperson hatte den Blick nach vorn gerichtet und vergewisserte sich, dass ihnen nichts den Weg versperrte und ihnen niemand direkt entgegenkam. Der Bodyguard, der hinter ihnen ging, suchte unentwegt mit dem Blick alle übrigen Bereiche ab: die Straße, die Bürgersteige und sogar den Himmel. Ich ging auf der anderen Straßenseite, musste aber trotzdem darauf achten, dass mich der hintere Leibwächter nicht dabei ertappte, wie ich sie anstarrte. Ich ging lässig und warf nur gelegentlich einen Blick hinüber, um zu sehen, ob sich die Bodyguards irgendeinen Ausrutscher erlaubten, ob sie zu irgendeinem Zeitpunkt nicht auf der Hut waren. Fehlanzeige.
Sie gingen den René Lévesque Boulevard bis zur St. Laurent Street hinunter, dann bogen sie links ab. Sie überquerten die Fahrbahn und gingen auf der rechten Straßenseite weiter. Ich blieb auf der linken Seite. Nach zwei Querstraßen kamen wir bei dem Strip-Club an. Die Fassade war ziemlich eindeutig. Blinkende Neonlampen priesen »Nackte Mädchen – live und rund um die Uhr« an. Von der Straße aus war es nicht möglich, ins Innere des Clubs zu sehen. Es gab keine Fenster. Die einzige Tür führte in ein Treppenhaus. Die Treppe führte hinauf in den Club. Unmittelbar hinter der Eingangstür stand ein großer Türsteher. Meine Zielperson ging auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand. Die beiden unterhielten sich etwa eine halbe Minute lang. Der Türsteher lächelte und lachte und klopfte meiner Zielperson auf die Schulter. Dann steckte ihm meine Zielperson Geld zu und ging mit dem amerikanischen Leibwächter im Schlepptau die Treppe hinauf. Der Australier blieb unten neben dem Türsteher auf der anderen Seite des Eingangs stehen. Die beiden tauschten ebenfalls einige Worte und das eine oder andere Lächeln, bevor sie sich wieder schweigend dem Bewachen der Tür
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