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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevor Shane
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widmeten.
    Das war zu viel. Ich wollte auf keinen Fall wieder stundenlang herumstehen und warten. In den Strip-Club gehen wollte ich allerdings auch nicht. Zum einen würde der amerikanische Bodyguard bestimmt Verdacht schöpfen, wenn er mich drinnen sah und von der Straße wiedererkannte. Zum anderen fällt man auf wie ein bunter Hund, wenn man in einem Strip-Club nicht die Stripperinnen, sondern andere Typen anstarrt. Ich beschloss, einfach zum Eingang zu gehen, um einen genaueren Blick auf den Leibwächter werfen zu können. Ich schwöre, dass ich nichts anderes tat. Da ich wusste, dass er mich bislang noch nicht in Augenschein genommen hatte, brauchte ich mir keine allzu große Mühe zu geben, mich unauffällig zu verhalten. Ich überquerte die Straße. Im Eingangsbereich des Strip-Clubs hingen einige Fotos von den Stripperinnen in unterschiedlichen Posen. Sie waren alle völlig nackt, was mich ziemlich erstaunte. In den Vereinigten Staaten bekam man so etwas nicht zu Gesicht, zumindest nicht auf offener Straße, so wie hier. Ich gab mir Mühe, die Fotos beiläufig zu betrachten und dabei gleichzeitig den Leibwächter zu mustern. Der Australier war gut zehn Zentimeter größer als ich. Er hatte ein freundliches Gesicht. Ich fragte den Türsteher, welche von den Mädchen heute arbeiteten. Er erklärte mir, dass die Fotos in erster Linie ihre Mädchen von der Nachtschicht zeigen würden, aber die Stripperinnen, die tagsüber arbeiteten, ebenfalls hübsch seien. Bis zu diesem Punkt spielte ich meine Rolle fast perfekt. Dann hättest du meine Tarnung beinahe auffliegen lassen.
    Ich sah dich schon ungefähr einen halben Häuserblock, bevor du beim Eingang ankamst, die Straße entlanggehen und erinnere mich, dass du die Kapuze deines Sweatshirts aufhattest, die dein üppiges lockiges Haar verdeckte. Die Hände hattest du tief in den Taschen des grünen Sweatshirts vergraben. Du hast niedlich ausgesehen. Ich fand es viel spannender, dich so eingepackt zu sehen, als die Fotos der nackten Stripperinnen an der Wand zu betrachten. Du musst bemerkt haben, dass ich dich anstarrte. Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke. Dabei kräuselte sich die Haut um deine großen blauen Augen, und auf deinen Lippen zeichnete sich ein verschmitztes Lächeln ab. Ich vergaß, wo ich mich befand. Ich vergaß, was ich tat. In diesem Moment vergaß ich alles.
    »Da würde ich an deiner Stelle nicht reingehen«, sagtest du.
    »Wie bitte?«, erwiderte ich. Dann fiel mir ein, dass ich in der Tür zu einem Strip-Club stand und die Fotos anstarrte, mit denen der Eingangsbereich tapeziert war. Ein toller erster Eindruck.
    »Da würde ich an deiner Stelle nicht reingehen«, sagtest du noch einmal. »Du solltest in die St. Catherine Street gehen. Da gehen alle amerikanischen Touristen hin.« Du hieltest inne und mustertest mich von Kopf bis Fuß. »Natürlich gehen die meisten von ihnen nicht allein am helllichten Tag hin.«
    »Oh, ich wollte nicht …« Ich hatte plötzlich die Fähigkeit verloren, in ganzen Sätzen zu sprechen. »Ich … hatte nicht vor reinzugehen«, stammelte ich schließlich. Erst nachdem ich das gesagt hatte, wurde mir bewusst, dass es vermutlich nicht besser wirkte, auf der Straße zu stehen und die Fotos anzugaffen.
    »Ist mir eigentlich auch egal«, entgegnetest du und gingst an mir vorbei. Ich sah dir nach und gab mir Mühe, mich zusammenzureißen, ehe du für immer aus meinem Leben verschwinden würdest. Ich musste etwas sagen, irgendetwas, um deine Aufmerksamkeit zu bekommen, bevor du weg warst.
    »Und, warum sollte ich nicht in den hier gehen?«, rief ich dir hinterher, da ich dich noch nicht gehen lassen wollte.
    Du bliebst stehen und drehtest dich zu mir um. »Ich weiß das nicht aus eigener Erfahrung, aber auf der Straße erzählt man sich, dass die Stripperinnen hier mehr Titten als Zähne haben.«
    »Tatsächlich, das erzählt man sich also auf der Straße?«, erwiderte ich.
    Du kehrtest mir wieder den Rücken zu und gingst ein zweites Mal von mir weg. »Das erzählt man sich auf der Straße«, riefst du mir zu, ohne dich umzudrehen.
    »Ich hatte auch nicht wirklich vor, da reinzugehen!« Inzwischen schrie ich dir hinterher, um sicherzugehen, dass du mich hörst. »Aber nach deiner Beurteilung könnte es ziemlich interessant werden, wenn ich eine Stripperin finde, die mehr als einen Zahn hat.«
    Du hörtest mich. Du drehtest dich im Gehen um, die Hände noch immer tief in den Taschen deines Sweatshirts

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