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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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– zumindest keinen, der ihn nachts ruhig schlafen lassen würde –, rief er Mr.   Abbas an, um ihm mitzuteilen, Onyx Innovative Capital sei nun die stolze Besitzerin eines gerade erst entdeckten Tizians. Oliver erbot sich, das Gemälde auf den Markt zu bringen, weil er auf eine fette Provision hoffte, die ihm das Debakel versüßen sollte, aber Abbas rief schon am Folgetag an, um ihm mitzuteilen, OIC habe sich anders entschieden. »Hat versucht, den Schlag abzumildern«, sagte Oliver trübselig. »War ein Vergnügen, mit Ihnen zu verhandeln, Mr.   Dimbleby. Müssen miteinander essen gehen, wenn Sie nächstes Mal in Zürich sind, Mr.   Dimbleby. Und noch was, Mr.   Dimbleby, die Jungs von Christie’s kommen in einer Stunde vorbei.«
    Sie kreuzten überfallartig wie professionelle Kidnapper auf und entführten das Gemälde in die King Street, wo es von den besten Tizian-Kennern der Welt untersucht wurde. Alle kamen zu demselben Urteil, und wie durch ein Wunder verstieß keiner gegen die strikte Schweigepflicht, die sie schriftlich zugesichert hatten. Selbst der sonst so geschwätzige Oliver schaffte es, den Mund zu halten, bis Christie’s seine Sensation enthüllt hatte. Aber danach brauchte er nicht länger zu schweigen. Oliver Dimbleby war der Trottel, der einen Tizian durch seine Finger hatte schlüpfen lassen.
    Aber selbst Oliver hatte seinen Spaß an der Hektik, die der Ankündigung von Christie’s folgte. Und wieso auch nicht? Bis dahin war dieser Winter mit staatlichen Sparmaßnahmen und Schneestürmen und Bombenanschlägen wirklich grässlich gewesen. Oliver freute sich, dass er die trübe Stimmung etwas aufheitern konnte, auch wenn das bedeutete, dass er im Green’s für Drinks den Trottel spielen musste. Außerdem beherrschte er diese Rolle gut. Er hatte sie schon oft unter großem Beifall zum Besten gegeben.
    Am Abend vor der Versteigerung gab er seine Abschiedsvorstellung vor Schulter an Schulter stehendem Publikum. Zum Abschluss verneigte er sich dreimal vor der Menge, bevor er sich ihr anschloss und zur großen Show bei Christie’s hinüberging. Die Direktion hatte ihm freundlicherweise einen Platz in der zweiten Reihe direkt vor dem Pult des Versteigerers reserviert. Links neben ihm saß sein Freund und Konkurrent Roddy Hutchinson, und links von Roddy saß Julian Isherwood. Der Sitz rechts neben Oliver war noch frei. Im nächsten Augenblick nahm dort kein anderer als Nicholas Lovegrove Platz, Berater der besonders wohlhabenden Sammler. Lovegrove war eben aus New York eingetroffen. Natürlich mit einem gecharterten Flugzeug. Lovegrove flog nicht mehr mit Linienmaschinen.
    »Warum das lange Gesicht, Ollie?«
    »Ich denke daran, was hätte sein können.«
    »Das mit dem Tizian tut mir leid.«
    »Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man. Wie gehen die Geschäfte, Nicky?«
    »Kann nicht klagen.«
    »Wusste gar nicht, dass du in Altmeistern dilettierst.«
    »In Wirklichkeit machen sie mir Angst. Sieh dich bloß mal um. Man kommt sich vor wie in ’ner verdammten Kirche – lauter Engel und Heilige und Märtyrertum und Kreuzigungen.«
    »Was führt dich also hierher?«
    »Ein Klient, der sich auf ein neues Gebiet wagen will.«
    »Hat der Klient einen Namen?«
    »Der Klient wünscht anonym zu bleiben – strikt anonym.«
    »Kenne ich. Will dein Klient sich auf ein neues Gebiet wagen, indem er einen Tizian kauft?«
    »Das erfährst du früh genug, Ollie.«
    »Hoffentlich hat dein Klient das nötige Kleingeld.«
    »Ich nehme nur reiche Klienten.«
    »Angeblich soll der Tizian einen Rekordpreis bringen.«
    »Sensationshascherei.«
    »Du hast bestimmt recht, Nicky. Du hast immer recht.«
    Lovegrove machte sich nicht die Mühe, ihm zu widersprechen. Stattdessen zog er ein Handy aus der Brusttasche seines Blazers und rief die letzten Kontakte auf. Ganz in seinem Element warf Oliver einen Blick auf das Display, als Lovegrove eine Nummer wählte. Na, wenn das nicht interessant ist ,dachte er. Wenn das nicht hochinteressant ist.

45
    S T . J AMES ’ S , L ONDON
    Das Gemälde erschien zur Halbzeit der Auktion im Saal wie ein hübsches Mädchen, das mit lässiger Verspätung auf einer Party erscheint. Bis dahin war die Party ziemlich langweilig gewesen, und das hübsche Mädchen trug viel dazu bei, die Stimmung im Saal zu heben. Oliver Dimbleby richtete sich auf seinem Klappstuhl auf. Julian Isherwood rückte seinen Krawattenknoten zurecht und blinzelte einer der jungen Frauen an den Telefonen zu.
    »Los

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