Der Hintermann
Nummer siebenundzwanzig, der Tizian«, schnurrte Simon Mendenhall, Christie’s gewandter Chefversteigerer. Simon war der einzige sonnengebräunte Londoner. Nur färbte der Teint schon auf den Kragen seines Maßhemds ab. »Wollen wir mit zwei Millionen anfangen?«
Terry O’Connor, der letzte irische Großunternehmer, der noch wirklich Geld besaß, gab das erste Gebot ab. Binnen dreißig Sekunden waren im Saal bereits sechseinhalb Millionen Pfund geboten worden. Dimbleby beugte sich zu Nicky und murmelte: »Alles nur Sensationshascherei?«
»Wir befinden uns noch in der ersten Kurve«, flüsterte Lovegrove, »und wie ich höre, soll auf der Zielgeraden starker Gegenwind herrschen.«
»An deiner Stelle würde ich die Vorhersage noch mal gegenchecken, Nicky.«
Das Bieten geriet bei sieben ins Stocken. Oliver, der sich betont auffällig die Nase rieb, erhöhte das Gebot auf siebeneinhalb.
»Dreckskerl«, murmelte Lovegrove.
»Gern geschehen, Nicky.«
Mit Olivers Gebot war der tote Punkt überwunden. Terry O’Connor gab rasch nacheinander immer höhere Gebote ab, aber die Konkurrenz hielt mit. Bei zwölf ließ der Ire endlich sein Paddel sinken, worauf Isherwood versehentlich einstieg, als Mendenhall seinen unterdrückten Husten als ein Gebot von über zwölfeinhalb missverstand. Aber das war nicht weiter verheerend, denn nur Sekunden später verblüffte ein Telefonbieter den Saal, indem er fünfzehn bot. Da zog Lovegrove sein Handy heraus und wählte eine Nummer.
»Wo stehen wir?«, fragte Mr. Hamdali.
Lovegrove schilderte ihm den Stand der Dinge. Unterdessen war das telefonische Gebot schon nicht mehr maßgeblich. Terry O’Connor hatte gerade sechzehn geboten.
»Mr. O’Connor brüstet sich gern damit, ein guter Boxer zu sein, richtig?«
»Universitätsmeister im Weltergewicht.«
»Dann wollen wir ihm mal einen kräftigen Uppercut verpassen, okay?«
»Wie kräftig?«
»Kräftig genug, dass er weiß, dass wir’s ernst meinen.«
Lovegrove wartete, bis Mendenhall zu ihm hinübersah, dann hob er zwei Finger.
»Ich habe zwanzig Millionen im Saal. Das Höchstgebot liegt nicht bei Ihnen, Madam. Auch nicht bei Ihnen, Sir. Und auch nicht bei Lisa am Telefon. Es liegt bei Mr. Lovegrove im Saal … zwanzig Millionen. Höre ich zwanzigeinhalb Millionen?«
Die bekam er, diesmal von Julian Isherwood. Terry O’Connor überbot ihn sofort mit einundzwanzig. Der Telefonbieter konterte mit zweiundzwanzig, ein zweiter begann mit vierundzwanzig, bevor ein dritter fünfundzwanzig bot. Mendenhall drehte und wand sich wie ein Flamencotänzer. Das Bietergefecht glich jetzt einem Kampf auf Leben und Tod, was ihm nur recht sein konnte. Lovegrove hob sein Smartphone ans Ohr und sagte: »Irgendetwas riecht hier faul.«
»Bieten Sie bitte weiter, Mr. Lovegrove.«
»Aber …«
»Bieten Sie bitte weiter.«
Lovegrove tat wie ihm geheißen.
»Geboten sind jetzt sechsundzwanzig Millionen, im Saal, von Mr. Lovegrove. Gibt mir jemand siebenundzwanzig?«
Eine der jungen Frauen an den Telefonen hob die rechte Hand.
»Ich habe achtundzwanzig am Telefon. Jetzt neunundzwanzig hinten im Saal. Jetzt dreißig. Jetzt einunddreißig bei Mr. O’Connor im Saal. Zwounddreißig. Dreiunddreißig. Nein, dreiunddreißigeinhalb nehme ich nicht, ich möchte vierunddreißig. Und es sieht so aus, als hätte ich sie von Mr. Isherwood. Stimmt das? Ja, ich habe sie. Geboten sind vierunddreißig, im Saal, von Mr. Isherwood.«
»Bieten Sie weiter«, sagte Hamdali.
»Davon möchte ich Ihnen abraten.«
»Bieten Sie weiter, Mr. Lovegrove, sonst entzieht mein Klient Ihnen den Auftrag.«
Lovegrove signalisierte fünfunddreißig. Keine halbe Minute später hatten die Telefonbieter den Preis auf über vierzig getrieben.
»Bieten Sie weiter, Mr. Lovegrove.«
»Ich würde …«
»Bieten Sie.«
Mendenhall bestätigte Lovegroves Gebot über zweiundvierzig Millionen Pfund.
»Jetzt sind’s dreiundvierzig bei Lisa am Telefon. Jetzt vierundvierzig bei Samantha. Und fünfundvierzig bei Cynthia.«
Nun folgte das vorübergehende Nachlassen, auf das Lovegrove gewartet hatte. Er sah zu Terry O’Connor hinüber und stellte fest, dass der Kampfgeist des Iren gebrochen war. Hamdali fragte er: »Wie dringend will Ihr Klient dieses Gemälde?«
»Dringend genug, um sechsundvierzig zu bieten.«
Das tat Lovegrove.
»Geboten sind jetzt sechsundvierzig, im Saal, von Mr. Lovegrove«, sagte Mendenhall. »Gibt jemand mir
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