Der Hintermann
eine Limousine zu steigen. Mr. Fowler gab dem Portier und den Pagen ein üppiges Trinkgeld, bevor er nach ihr einstieg.
Sie folgten derselben Route, die Nadia al-Bakari früher an diesem Abend benutzt hatte, erreichten den Flughafen jedoch ohne Zwischenfälle. Nach der oberflächlichen Passkontrolle gingen sie sofort an Bord ihrer Maschine, statt wie angeboten in der luxuriösen VIP Lounge zu warten. Der Ausfall eines Linienflugs ermöglichte ihnen einen früheren Start als geplant, und um 1.30 Uhr befand ihr Boeing Business Jet sich im Dunkel über dem Leeren Viertel im Steigflug.
Zwei Angehörige des Teams waren nicht an Bord: Michail fuhr zu einem einsamen Strand westlich von Dschebel Ali, Gabriel in den alten Stadtteil Deira. Nachdem er seinen Toyota Land Cruiser an der Corniche abgestellt hatte, ging er zu Fuß zu dem schäbigen kleinen Apartmentgebäude in der Nähe des Gold-Suks und stieg in Geruchsschwaden von Kichererbsen und Kreuzkümmel die Treppe hinauf. In Michails Wohnung saß er an dem schäbigen Küchentisch und starrte aufs Display seines Blackberrys. Um sich die Zeit zu vertreiben, ging er den Ablauf des Unternehmens nochmals durch. Irgendwo hatte es ein Leck oder einen Verrat gegeben. Den dafür Verantwortlichen würde er finden. Und dann würde er ihn umbringen.
Es dauerte weitere zwanzig Minuten, bis eine Stimme in Michails Ohrhörer zu vernehmen war. Sie sagte nur zwei, drei Wörter, nicht mehr. Trotzdem erkannte er sie sofort wieder. Er hatte sie schon oft gehört – in der Hölle von Gaza, auf den Hügeln des Südlibanons, in den Gassen von Jericho und Nablus und Hebron. Er blendete zweimal auf, sodass seine Scheinwerfer kurz den kreideweißen Sand erhellten, und trommelte mit den Fingern unruhig aufs Lenkrad, als ein unbeleuchtetes Zodiac-Schlauchboot sich auf dem Wasser tänzelnd dem Strand näherte. Vier Männer mit Ausrüstungstaschen aus Nylon verließen es über die Bordwand. Sie sahen wie Araber aus. Sie waren wie Araber gekleidet. Sie bewegten sich wie Araber. Sie benutzten sogar ein für Araber typisches Rasierwasser. Trotzdem waren sie keine Araber. Sie gehörten der israelischen Spezialeinheit Sajeret Matkal an. Und einer von ihnen war Yoav Savir, Michails ehemaliger Kommandeur.
»Lange nicht mehr gesehen«, sagte Yoav, als er vorn ins Auto einstieg. »Was ist passiert?«
»Wir haben jemanden verloren, der sehr wichtig ist.«
»Wie heißt er?«
» Sie «, sagte Michail. »Sie heißt Nadia.«
»Wer hat sie?«
»Malik.«
»Welcher Malik?«
»Der einzige Malik, der wichtig ist.«
»Scheiße.«
Auf den Wandmonitoren in Raschidistan blinkten die Lichter der riesigen Ölförderanlage Schajba neongrün. Diese Aufnahme wurde live von einer unbemannten Predator-Drohne übertragen, die zurzeit vom Team in Langley gesteuert wurde. Auf Carters Befehl drehte die Drohne ab nach Osten, überflog die Oasen an der Grenze zwischen Saudi-Arabien und den Emiraten und folgte dann der Autobahn nach Dubai City zurück. Dabei suchten ihre Nachtsichtgeräte und Wärmebildkameras die Wüste nach Anzeichen von Leben ab, das es hier normalerweise nicht gab. Als die Predator sich dem Hafen Dschebel Ali näherte, zeigten ihre Kameras ein aufs Meer hinausfahrendes Schlauchboot, in dessen Heck sich als Lichtpunkt eine einzelne Gestalt abzeichnete. Aber in Raschidistan achtete kaum jemand auf diese gesendeten Bilder, weil alle ein Gespräch von Gabriels Blackberry aus verfolgten. Die Computer erkannten die Nummer des Anrufers. Sie erkannten auch seine Stimme. Er war Malik al-Zubair. Der einzige Malik, der wichtig war.
62
D EIRA , D UBAI
»Ich bin erstaunt, dass Sie ans Telefon gegangen sind. Vielleicht stimmt es doch, was über Sie behauptet wird.«
»Was ist es, Malik?«
»Dass Sie mutig sind. Dass Sie ein Mann sind, der Wort hält. Persönlich bleibe ich allerdings skeptisch. Ich habe noch keinen Juden kennengelernt, der kein Feigling und Lügner war.«
»Ich wusste gar nicht, dass es in Zarqa eine so große jüdische Gemeinde gibt.«
»In Zarqa gibt’s zum Glück keine Juden, nur Opfer von Juden.«
»Wo ist sie, Malik?«
»Wer?«
»Nadia«, sagte Gabriel. »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
»Wie kommen Sie darauf, dass wir sie haben?«
»Weil Sie nur so an diese Telefonnummer herangekommen sein können.«
»Cleverer Jude.«
»Lassen Sie sie frei.«
»Ich glaube nicht, dass Sie in Ihrer jetzigen Lage Forderungen stellen können.«
»Ich fordere gar nichts«, sagte Gabriel
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