Der Hintermann
Engländerin und dem Chinesen her in Richtung Bar.
»Er ist der zweite Mann von links«, sagte er in sein Mikrofon.
»Weißt du das bestimmt?«
»Bestimmt genug, um ihn sofort selbst umzulegen, wenn du willst.«
»Nicht hier.«
»Lass nicht zu, dass er das Hotel verlässt. So eine Chance bekommen wir vielleicht nicht wieder.«
Gabriel gab keine Antwort. Michail betrat die Bar, zählte langsam bis zehn und verließ sie wieder.
Gabriel packte sein Notebook ein und schien dabei in fließendem Französisch zu telefonieren, als Malik al-Zubair und seine vier Gefährten in ihren weißen Kanduris durch die Hotelhalle geschwebt kamen. Draußen verabschiedeten sie sich in einem Wirbel aus Händedrücken und Wangenküssen, bevor sie zu ihren Geländewagen gingen. Trotz dieses letzten Verwirrspiels hatte Gabriel keine Mühe, Malik im Auge zu behalten, als er hinten in einen Denali einstieg. Als die fünf Wagen weggefahren waren, wurden sie durch zwei Toyota Land Cruiser ersetzt. Michail schaffte es, leicht gelangweilt zu wirken, als er an dem Portier vorbeiging und rechts vorn in den ersten Geländewagen stieg. Gabriel stieg in den zweiten Toyota. »Schnall dich an«, sagte Chiara, als sie Gas gab. »Diese Leute fahren wie die Verrückten.«
Die Meldung, Malik al-Zubair werde von Agenten des Diensts beschattet, erreichte Raschidistan um 22.12 Uhr Dubaier Zeit. Bei der Kernmannschaft löste sie verhaltenen Jubel aus – nicht jedoch bei den drei Bossen in ihrem Glaskasten in der Saalmitte. Vor allem Schamron wirkte sehr beunruhigt, während er den blinkenden roten Punkt auf der Sheikh Zayed Road verfolgte.
»Mir fällt gerade auf, dass wir schon lange nichts mehr von unserem Freund Samir Abbas gehört haben«, sagte er, ohne den Wandmonitor aus den Augen zu lassen. »Könnte jemand sein Handy von einer Nummer aus anrufen, die er erkennt?«
»Denken Sie an jemand Bestimmten?«, fragte Carter.
»Am besten seine Frau«, sagte Schamron. »Er erschien mir immer wie ein Familienmensch.«
»Sie haben eben in der Vergangenheitsform von ihm gesprochen.«
»Wirklich?«, fragte Schamir geistesabwesend.
Carter nickte einem der Techniker zu und sagte: »Sorgen Sie dafür.«
Die Einwohner Dubais gehören nicht nur zu den reichsten Menschen der Welt, sondern statistisch gesehen auch zu ihren schlechtesten Autofahrern. In dem Emirat ereignet sich alle zwei Minuten ein Zusammenstoß mit Autos, Fußgängern oder Gegenständen, sodass jeden Tag durchschnittlich drei Verkehrstote zu beklagen sind. Der typische Fahrer denkt sich nichts dabei, in dichtem Verkehr jäh die Spur zu wechseln oder bei Tempo hundertfünfzig dicht aufzufahren, während er gleichzeitig mit dem Handy telefoniert. Deshalb achtete kaum jemand auf die wilde Verfolgungsjagd, die sich kurz nach zweiundzwanzig Uhr auf der Stadtautobahn in Richtung Dschebel Ali abspielte. Solche Rennen gab es jede Nacht.
Die vierspurige Schnellstraße wurde geteilt durch einen Grünstreifen mit Verkehrsampeln, deren Signale die meisten Einheimischen wie lästige Ratschläge abtaten. Gabriel hielt den Haltegriff für den Beifahrer umklammert, während Chiara den großen Land Cruiser geschickt durch Horden weiterer Geländewagen lenkte. Wie an jedem Donnerstagabend, an dem das islamische Wochenende begann, war der Verkehr noch dichter als sonst. Riesige SUVs waren dabei die Norm, nicht die Ausnahme. Die meisten wurden von bärtigen Männern in weißen Kanduras und Ghutras gefahren.
Die fünf Fahrzeuge von Maliks Wagenkolonne spielten gewissermaßen ein rollendes Hütchenspiel. Sie überholten sich gegenseitig, wechselten häufig die Spur und drängelten mit der Lichthupe – alles völlig normales Verhalten in dem Chaos auf Dubais Straßen. Chiara und die drei anderen Fahrer des Verfolgerteams taten ihr Bestes, um nicht abgehängt zu werden. Das war gefährlich. Trotz der Anarchie auf den Straßen ging die Polizei des Emirats streng gegen Ausländer vor, die Verkehrsunfälle verursachten. Das wusste Malik al-Zubair natürlich sehr gut. Gabriel fragte sich, was der Terrorist noch alles wissen mochte. Er begann sich Sorgen zu machen, dass die komplizierten Sicherheitsvorkehrungen mehr als nur einfache Vorsichtsmaßnahmen sein könnten, und dass Malik seinen Feinden wieder einmal einen Schritt voraus war.
Vor ihnen wurde der Hafen Dschebel Ali sichtbar. Sie rasten an dem Themenpark Ibn Buttata, einer Shopping-Mall und einer Meerwasser-Entsalzungsanlage vorbei: Dubai en miniature.
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