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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Betäubungsmittel ausgelöste Halluzination – oder vielleicht auch, so dachte sie weiter, durch die Abnormität in ihrem Gehirn. Dann schloss sie die Augen, blendete die Stimme des Talibs bewusst aus und horchte angestrengt. Nein, dies war keine Halluzination. Das war das Geräusch irgendeines Flugzeugs. Und es kam näher.
    Eine einzige schmale Straße verbindet die Oasenstadt Liwa in den Emiraten mit der Ölförderanlage Schajba jenseits der Grenze in Saudi-Arabien. Nadia hatte diesen Grenzübergang als die schlafende verschleierte Frau eines ihrer Entführer passiert. Gabriel musste sich ähnlich verkleiden, aber im Gegensatz zu Nadia bekam er genau mit, was mit ihm geschah.
    Unter der Abaja trug er den blauen Overall eines Arbeiters aus Dubai. Den hatte er in einem Lebensmittellager in der Wüstenstadt al-Chasna im Emirat Abu Dhabi zugeteilt bekommen, nachdem man ihm die eigene Kleidung ausgezogen und nach Mikrofonen und Sendern abgesucht hatte. Bei dieser Gelegenheit wurde er auch zum zweiten Mal verprügelt, wobei Rafiq al-Kamal die Hauptarbeit übernahm. Der Saudi-Araber habe alles Recht, auf ihn böse zu sein, fand Gabriel. Schließlich hatte Gabriel erst seinen Boss erschossen und dann dessen Tochter als Agentin angeworben. Trotzdem rätselte er über al-Kamals Beteiligung an Nadias Entführung nach. Weshalb war er hier? Auf Befehl der Terroristen? Oder des Hauses Saud?
    Vorläufig spielte das keine Rolle. Im Augenblick kam es darauf an, Nadia am Leben zu erhalten. Das würde eine letzte Lüge erfordern. Eine letzte Täuschung. Diese Lüge arbeitete Gabriel auf der Straße nach Schajba aus, während er den blauen Overall eines Arbeiters und die schwarze Abaja einer Frau trug. Dann erzählte er sie sich wieder und wieder, bis er sie selbst für wahr hielt.
    Auf den riesigen Plasmabildschirmen in Langley war Gabriel ein winziger grüner Lichtpunkt, der sich blinkend durch das Leere Viertel bewegte. Fünf weitere Lichtpunkte blinkten in der Nähe der Oasenstadt Liwa. Sie symbolisierten Michail Abramow und das vierköpfige Sajeret-Matkal-Team.
    »Durch die Grenzkontrollen kommen sie unmöglich«, sagte Carter.
    »Dann umgehen sie sie eben«, sagte Schamron.
    »Die gesamte Grenze ist mit einem Zaun gesichert.«
    »Die Sajeret lassen sich von keinen Zäunen aufhalten.«
    »Wie aber wollen sie einen Land Cruiser über den Zaun bekommen?«
    »Sie haben zwei Land Cruiser«, sagte Schamron, »aber von denen kommt wohl keiner über diesen Zaun, fürchte ich.«
    »Was soll das heißen?«
    »Wir warten, bis Gabriel sich nicht mehr bewegt.«
    »Und dann?«
    »Dann marschieren sie los.«
    »Durchs Leere Viertel?«, fragte Carter ungläubig.
    »Dafür sind sie ausgebildet.«
    »Was passiert, wenn sie einer saudischen Militärstreife begegnen?«
    »Dann müssen wir das Kaddisch für die Streife sprechen, fürchte ich«, antwortete Schamron. »Denn sollten sie zufällig auf Michail Abramow und Yoav Savir treffen, sind sie erledigt.«
    In Liwa gab es eine Tag und Nacht geöffnete Tankstelle, in der Gastarbeiter und Fernfahrer auch einkaufen konnten. Der Inder hinter der Theke sah aus, als hätte er seit Wochen nicht mehr geschlafen. Yoav, der Araber, der keiner war, kaufte bei ihm genügend Proviant und Wasser für eine kleine Armee und dazu einige billige Ghutras und mehrere der lockeren Baumwollgewänder, wie sie Pakistani und Bangladeschi bevorzugten. Dem Inder erzählte er, seine Freunde und er wollten einige Tage in den Dünen verbringen, um Allah und der Natur näher zu sein. Der Tankwart empfahl ihm eine besonders inspirierende Felsformation nördlich von Liwa an der Grenze zu Saudi-Arabien. »Aber nehmen Sie sich in Acht«, sagte er warnend. »Dort wimmelt’s von Schmugglern und al-Qaida-Leuten. Sehr gefährlich.« Yoav bedankte sich für diesen Hinweis. Dann bezahlte er, ohne zu feilschen, und ging wieder zu den Toyotas hinaus.
    Wie der Inder vorgeschlagen hatte, fuhren sie nach Norden, aber sowie die Stadt hinter ihnen lag, drehten sie augenblicklich gen Süden um. Die rosig getönten Dünen waren so hoch wie die Hügel Judäas. Nach einstündiger Fahrt über den harten Sand der Ebenen machten sie in der Nähe der saudi-arabischen Grenze halt. Während es rasch hell wurde, versteckten sie die Land Cruiser unter Tarnnetzen und zogen die in Liwa gekauften Kleidungsstücke an. Yoav und die drei anderen Elitesoldaten sahen darin wie Araber aus, aber Michail hätte ein westlicher Forscher sein können, der auf der Suche

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