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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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verhört werden soll. Schließlich ist es Nadias Schuld, dass ihr Netzwerk zerschlagen worden ist.«
    Sein Blackberry meldete sich erneut. Diesmal verlangte Langley eine Bestätigung dafür, dass er den Rückzugsbefehl erhalten hatte. Gabriel ignorierte ihn und starrte mürrisch aus dem Seitenfenster, vor dem jetzt das Bankenviertel vorbeizog.
    »Gibt’s denn nichts, was wir tun können?«, fragte Chiara.
    »Das hängt ganz von Malik ab, denke ich.«
    »Malik ist ein Monster. Und du kannst Gift darauf nehmen, dass er weiß, dass du hier in Dubai bist.«
    »Sogar mit Monstern kann man reden.«
    »Nicht mit Dschihadisten. Die sind für kein vernünftiges Argument zugänglich.« Sie fuhr eine Zeit lang schweigend weiter, lenkte mit einer Hand und hielt mit der anderen Nadias blutige Kostümjacke umklammert. »Ich weiß, dass du ihr etwas versprochen hast«, sagte sie schließlich, »aber mir hast du auch etwas versprochen.«
    »Soll ich sie sterben lassen, Chiara?«
    »Gott, nein!«
    »Was soll ich also tun?«
    »Wieso muss ich diese Entscheidung treffen?«
    »Weil nur du sie treffen kannst.«
    Chiara knetete nervös den Stoff von Nadias Kostümjacke, während ihr Tränen übers Gesicht liefen. Gabriel fragte, ob er fahren solle. Aber sie schien ihn nicht zu hören.
    Gabriels Mitteilung erschien dreißig Sekunden später auf den Bildschirmen in Raschidistan. Schamron starrte sie sorgenvoll an. Dann begann er eine Zigarette zu rauchen, obwohl das in Langley strengstens verboten war, und sagte: »Jetzt wär’s vielleicht Zeit, ein paar Drohnen loszuschicken und Soldaten einzusetzen.« Carter und Navot reagierten darauf, indem sie gleichzeitig nach ihren Telefonhörern griffen. Wenige Minuten später starteten die Aufklärungsdrohnen von einem geheimen CIA-Stützpunkt in Bahrain, und die Soldaten waren auf dem schwarzen Wasser des Golfs lautlos zum Strand bei Dschebel Ali unterwegs.
    Als Chiara und Gabriel ins Hotel zurückkamen, steckte der Rest des Teams bereits mitten in einem hastigen, aber methodischen Rückzug. Sie hatten ihn mit dem Empfang von Schamrons Befehl gestartet und wurden dabei von einem gewissen Thomas Fowler, dem neuen Partner der Investmentfirma Rogers & Cressey, geleitet. Der Hoteldirektion gegenüber wurde die plötzliche Abreise mit der schweren Erkrankung einer wichtigen Mitarbeiterin von Mr.   Fowler begründet. Das war auch dem Bodenpersonal des Dubai International Airport mitgeteilt worden. Sie bereiteten bereits Mr.   Fowlers Flugzeug für einen Abflug um zwei Uhr morgens vor. Die Besatzung war angewiesen, sich auf einen pünktlichen Start einzustellen.
    Obwohl die Situation ernst war, schaffte es das Team, innerhalb des Hotels strikte operative Disziplin einzuhalten. In wahrscheinlich verwanzten Räumen benutzten die Agenten ihre Decknamen und sprachen ausschließlich über geschäftliche Dinge. Allein ihre betroffenen Mienen verrieten, was sich in ihrem Inneren abspielte, und nur wer sich unter der schützenden Chupa befand, konnte es wagen, offen zu sprechen. In dem silbrigen Zelt, in dem er vor den Mikrofonen des Herrschers sicher war, führte Gabriel ein angespanntes Telefongespräch mit Schamron und Navot in Raschidistan. Er sprach auch einzeln mit allen Angehörigen seines Teams. Die meisten dieser Gespräche verliefen nüchtern professionell, einige wenige sehr emotional. Chiara kam als Letzte zu ihm. Sobald sie allein waren, erinnerte sie ihn an den Nachmittag, an dem sie sich in dem sicheren Haus in Zürich geliebt hatten, wobei ihr Körper sich erhitzt hatte wie im Fieber. Dann küsste sie Gabriel ein letztes Mal, bevor sie ihr Gepäck holte und in die Hotelhalle hinunterfuhr.
    Schamron war stets der Überzeugung gewesen, Karrieren würden weniger durch errungene Erfolge als durch überstandene Katastrophen geprägt. »Eine Siegerrunde kann jeder Trottel drehen«, hatte er in einer berühmten Vorlesung an der Akademie gesagt, »aber nur ein ausgezeichneter Agent kann Haltung bewahren und seine Rolle weiterspielen, während ihm das Herz bricht.« Wenn dem wirklich so wäre, hätte Schamron in dieser Nacht viele ausgezeichnete Agenten sehen können, als Gabriels Team das Hotel Burj al Arab verließ und zum Flughafen hinausfuhr. Nur Chiara wirkte verstört, weil ihr wirklich das Herz brach – und weil sie sich freiwillig dazu erboten hatte, die Rolle der ernstlich erkrankten Mitarbeiterin zu spielen. Der Empfangschef wünschte ihr gute Besserung, als er ihr behilflich war, hinten in

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