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Der Historiker

Der Historiker

Titel: Der Historiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Kostova
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zu. »Ich hoffe, es eines Tages von einem Spezialisten untersuchen lassen zu können, vielleicht in London. «
    »Es ist ein beachtliches Stück.« Georgescu gab es mir zurück. »Und jetzt, wo Sie das Kloster Snagov gesehen haben, wohin wollen Sie als Nächstes? Zurück nach Istanbul?«
    »Nein.« Mich schauderte, aber ich wollte ihm nicht sagen, warum. »Ich muss in ein paar Wochen zurück zu einer Ausgrabung in Griechenland. Vorher, dachte ich, mache ich noch einen kleinen Abstecher nach Targoviste, schließlich war das Vlads Herrschersitz. Waren Sie einmal dort?«
    »Ah ja, natürlich.« Georgescu kratzte seinen Teller leer wie ein hungriger Junge. »Das ist ein interessanter Ort für jemanden, der hinter Dracula her ist. Aber das wirklich Interessante ist seine Burg.«
    »Seine Burg? Hatte er wirklich eine Burg? Ich meine, gibt es sie immer noch?«
    »Nun, es ist eine Ruine, aber eine recht schöne. Eine zerfallene Festung. Von Targoviste sind es noch ein paar Kilometer den Arges hinauf und man kommt ziemlich leicht über eine Straße hin, nur das letzte Stück muss man etwas klettern. Dracula mochte Orte, die sich gut gegen die Türken verteidigen ließen, und die Burg dort war seine Liebe. Ich sage Ihnen was… « Er suchte in seinen Taschen herum, fand eine kleine Pfeife und stopfte sie mit duftendem Tabak. Ich gab ihm Feuer. »Danke Ihnen, mein Sohn… Ich sage Ihnen was: Ich komme mit Ihnen. Ich habe zwar nur ein paar Tage Zeit, aber ich werde Ihnen helfen, die Burg zu finden. Es ist weit einfacher, wenn Sie einen Führer haben. Ich bin schon seit Ewigkeiten nicht mehr dort gewesen, und ich würde sie selbst gerne noch einmal sehen.«
    Ich dankte ihm aufrichtig. Der Gedanke, ohne Dolmetscher mitten ins Herz von Rumänien zu reisen, hatte mich zugegebenermaßen ein wenig unruhig gemacht. Wir vereinbarten, morgen schon loszufahren. Ich hoffe, mein Fahrer kann uns bis nach Targoviste bringen. Georgescu kennt ein Dorf am Arges, wo wir für ein paar Shillinge unterkommen. Von da ist es zwar noch ein Stück bis zur Burg, aber, wie er sagte, mag er nicht in den Ort gleich in der Nähe, da man ihn bereits einmal von dort vertrieben hat.
    Mit einem herzlichen »Gute Nacht« haben wir uns schließlich verabschiedet, und nun, mein Freund, muss ich mein Licht löschen, um mich für das nächste Abenteuer auszuruhen, über das ich dir ebenfalls berichten werde.
     
    Mit den liebsten Grüßen der deine, Bartholomew

 
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    Mein lieber Freund,
    mein Fahrer hat uns tatsächlich heute bis nördlich von Targoviste bringen können, worauf er zurück zu seiner Familie nach Bukarest gefahren ist. Wir haben uns zunächst einmal für eine Nacht ein Quartier in einer alten Herberge gesucht. Georgescu ist ein ausgezeichneter Reisebegleiter. Auf der Fahrt in den Norden hat er mich mit der Geschichte der jeweiligen Gegend erfreut, durch die wir gerade kamen. Er hat ein großes Wissen, und sein Interesse reicht von Architektur bis Botanik, so dass ich heute viel lernen konnte.
    Targoviste ist eine schöne Stadt, vom Charakter her immer noch mittelalterlich, und zumindest gibt es dieses eine gute Gasthaus hier, wo ein Reisender sein Gesicht mit klarem Wasser waschen kann. Wir sind jetzt im Herzen der Walachei, einer hügeligbergigen Landschaft zwischen Ebene und Gebirge. Vlad Dracula saß in den 1450ern und 1460ern mehrere Male auf dem Thron der Walachei, Targoviste war seine Hauptstadt, und heute Nachmittag sind wir bereits durch die ansehnlichen Ruinen seines Schloss hier gewandert, wobei Georgescu mir die verschiedenen Zimmer und ihren wahrscheinlichen Nutzen erklärt hat. Dracula wurde nicht hier, sondern in Transsilvanien geboren, in einem Ort, der heute Sighiçoara heißt. Ich werde keine Zeit haben, auch dorthin zu fahren, aber Georgescu war verschiedene Male da, und er hat mir gesagt, dass Vlads Geburtshaus noch steht.
    Den bemerkenswertesten Anblick von vielen bemerkenswerten Anblicken heute, während wir durch die alten Straßen und Ruinen streiften, bot Draculas Wachturm, der im neunzehnten Jahrhundert recht ansprechend restauriert wurde. Als guter Archäologe rümpft Georgescu seine schottisch-rumänische Nase über derlei Restaurationen, und er erklärte mir, dass die Zinnen oben so nicht ganz stimmen. »Aber was kann man schon erwarten«, sagte er ziemlich scharfzüngig, »wenn Historiker anfangen, ihre Fantasie walten zu lassen?« Ob es die Restauration nun so genau trifft oder nicht; das, was mir mein

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