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Der Historiker

Der Historiker

Titel: Der Historiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Kostova
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Geschichte.«
    »Für mich gibt es viele Anwärter auf diesen Titel«, sagte ich, aber er schüttelte den großen Kopf über den breiten Schultern.
    »Nein«, sagte er und hob seine Kerze in die Höhe. In ihrem Licht sah ich seine Augen aufblitzen, die blutunterlaufen und rotgerändert waren wie die eines Wolfs, voller Hass. Es war, als sähe ich einen toten Blick, der plötzlich knisternd zum Leben erwachte. Ich hatte seine Augen bereits gesehen, aber im Licht jetzt waren sie die eines Tiers. Ich brachte kein Wort heraus und konnte den Blick nicht von ihm wenden. Schließlich wandte er sich wieder dem Drachen zu. »Er ist ein guter Bote«, sagte er bedächtig.
    »Haben Sie meines für mich zurechtgelegt? Mein Buch?«
    »Sagen wir, dass ich es arrangiert habe.« Er streckte seinen kampfnarbigen Finger aus und berührte den Holzstock. »Mit der Verteilung bin sehr vorsichtig. Nur die besten und viel versprechendsten Gelehrten und die, von denen ich denke, dass sie beharrlich genug sind, den Drachen bis in seine Höhle zu verfolgen, bekommen ein Buch. Und Sie sind der Erste, dem es tatsächlich gelungen ist. Ich gratuliere Ihnen. Meine anderen Assistenten lasse ich draußen in der Welt, um für mich zu forschen.«
    »Ich bin Ihnen nicht gefolgt«, wagte ich zu sagen. »Sie haben mich hergeholt.«
    »Ah… « Wieder dieser Bogen der rubinroten Lippen und das Zucken des großen Schnurrbarts. »Sie wären nicht hier, wenn Sie nicht hätten kommen wollen. Noch niemand hat in seinem Leben eine Warnung von mir zweimal missachtet. Sie haben sich selbst hergebracht.«
    Ich betrachtete die uralte Presse und den Holzschnitt des Drachens. » Warum haben Sie mich geholt?« Ich wollte mit meinen Fragen nicht seinen Zorn erregen. Morgen Nacht schon würde er mich umbringen, wenn es ihm gefiel und ich während der Tagesstunden keine Fluchtmöglichkeit fand. Aber ich musste ihn das fragen.
    »Ich habe lange nach jemandem gesucht, der meine Bibliothek katalogisiert«, sagte er. »Morgen können Sie sich alles völlig frei ansehen. Heute Nacht sprechen wir. « Mit seinem kraftvollen, langsamen Schritt führte er uns zurück zu unseren Stühlen. Seine Worte gaben mir große Hoffnung, denn offenbar wollte er mich in dieser Nacht tatsächlich nicht töten, und ganz nebenbei wuchs die Neugier in mir. Wie es schien, träumte ich nicht und sprach mit jemandem, der mehr Geschichte durchlebt hatte, als sie irgendein Historiker in einem Gelehrtenleben auch nur rudimentär studieren kann. Ich folgte ihm mit vorsichtigem Abstand, und wir setzten uns wieder ans Feuer. Als ich mich niederließ, bemerkte ich, dass der Tisch mit meinem Abendbrot nicht mehr da war.
    An seiner Stelle stand eine bequeme Ottomane, auf die ich vorsichtig meine Füße legte. Dracula saß majestätisch in seinem hohen Stuhl. Der Stuhl war groß, hölzern und mittelalterlich, meiner dagegen bequem gepolstert, wie die Ottomane, als hätte er daran gedacht, seinem Gast etwas zu bieten, das der neuzeitlichen Schwäche entgegenkam.
    Lange Minuten saßen wir schweigend da, und ich fing gerade an, mich zu fragen, ob er die ganze Nacht so dasitzen wollte, als er wieder zu sprechen begann. »In meinem Leben liebte ich Bücher«, sagte er. Er wandte sich mir ein bisschen mehr zu, so dass ich das Glitzern in seinen Augen sehen konnte und den Glanz auf seinem lockigen Haar. » Vielleicht wissen Sie nicht, dass auch ich so etwas wie ein Gelehrter war. Das scheint nicht so bekannt zu sein.« Er sprach ohne jede Leidenschaft. »Sie wissen aber, dass die Bücher meiner Zeit sich nur mit sehr begrenzten Themen beschäftigten. In meinem sterblichen Leben gab es nur die Texte, die die Kirche erlaubte – zum Beispiel die Evangelien und den orthodoxen Kommentar dazu. Diese Werke waren für mich letztlich nutzlos. Und als ich zum ersten Mal meinen mir rechtmäßig zustehenden Thron bestieg, waren die Bibliotheken von Konstantinopel zerstört. Was davon erhalten ist, meist in Klöstern, konnte ich nie mit eigenen Augen sehen. « Nachdenklich starrte er in die Flammen. »Aber ich hatte andere Quellen. Kaufleute brachten mir seltsame, wundervolle Bücher von überall her – aus Ägypten, dem Heiligen Land und den großen Städten des Westens. Daraus erfuhr ich von altem, geheimem Wissen. Da ich wusste, dass ich nicht ins himmlische Paradies eingehen würde« – immer noch dieser leidenschaftslose Ton –, »wurde ich Historiker, um meine eigene Geschichte auf ewig zu bewahren.«
    Er verstummte

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