Der Hobbit
Waldelbenhöhle mit roh behauenen Wänden. Es war ein von Zwergen angelegter Durchgang, von Zwergen auf dem Gipfel ihres Könnens und ihres Reichtums: Schnurgerade und ohne jede Unebenheit am Boden oder an den Wänden führte er mit leichtem, gleichbleibendem Gefälle direkt zu einem fernen Ziel in der schwarzen Tiefe.
Nach einer Weile wünschte Balin dem Hobbit viel Glück und blieb stehen, wo er eben noch einen blassen Schimmer von der Tür sehen und, dank einer Laune des Echos im Tunnel, die murmelnden und flüsternden Stimmen der andern hören konnte, die draußen dicht davorstanden. Bilbo steckte seinen Ring auf und schlich, durch das Echo gewarnt, noch lautloser als selbst unter Hobbits üblich immer weiter und weiter in die Dunkelheit hinab. Er bebte vor Angst, aber seine Miene war finster entschlossen. Es war schon ein ganz anderer Hobbit aus ihm geworden, seit er vor langer Zeit ohne Taschentuch aus Beutelsend weggelaufen war. Seit ewigen Zeiten hatte er nun schon kein Taschentuch mehr. Er lockerte seinen Dolch in der Scheide, schnallte sich den Gürtel fester und ging weiter.
»Jetzt mach dich auf einiges gefasst, mein lieber Bilbo Beutlin!«, sagte er sich. »Da hast du dich auf etwas Schönes eingelassen, an dem Abend, als die Zwerge zu Besuch kamen, und jetzt musst du sehn, wie du dich aus der Affäre ziehst. Es kann dich teuer zu stehen kommen. Liebe Güte, was war und was bin ich für ein Trottel!«, sagte derjenige in ihm, der ganz und gar kein Tuk war. »Für Drachenhorte hab ich überhaupt keine Verwendung! Meinetwegen könnte der ganze Krempel für immer hier liegen bleiben, wenn ich jetzt nur aufwachte und merkte, dass dieser verwünschte Tunnel nur die Diele in meiner eigenen Höhle ist!«
Er wachte nicht auf, sondern ging immer weiter, bis von der Tür hinter ihm auch nicht mehr der kleinste Schimmer zu sehen war. Er war nun ganz allein. Bald kam es ihm vor, als ob es warm wurde. »Ob das eine Art Glut ist, da unten vor mir?«, dachte er.
Ja, dort glühte etwas. Als er weiterging, wuchs und wuchs es. Kein Zweifel, ein roter Lichtschein wurde stärker und stärker, und auch die Hitze im Tunnel war nun nicht mehr zu leugnen. Dampfkringel stiegen auf und wehten an ihm vorüber; er begann zu schwitzen. Ein Geräusch füllte allmählich seine Ohren aus, eine Art Brodeln wie aus einem riesigen Kochtopf auf dem Feuer, vermischt mit einem Knarren, das wie das Schnurren eines Riesenkaters klang. Das Ganze schwoll an zu dem unverkennbaren gurgelnden Schnarchen eines gewaltigen Tieres, das in der roten Glut dort unten schlief.
Bilbo blieb stehen. Dass er dann doch weiterging, war die mutigste Tat seines Lebens. All die stürmischen Ereignisse nachher waren nichts dagegen. Den entscheidenden Kampf focht er dort im Tunnel ganz allein aus, bevor er die Gefahr, die ihn erwartete, in ihrem ganzen Ausmaß erkannt hatte. Jedenfalls, nach kurzem Zögern ging er weiter, und nun stellt euch das Bild vor, wie er ans Ende des Tunnels kommt,eine Öffnung, etwa gleicher Art und Größe wie die Geheimtür oben. Der kleine Kopf des Hobbits lugt heraus. Vor ihm liegt der unterste Keller, das tiefste Verlies des alten Zwergenreichs an den Wurzeln des Berges. Es ist fast dunkel, so dass man nur ahnen kann, wie groß die Halle sein muss, aber auf der Seite, in die der Gang mündet, steigt vom Felsboden ein mächtiger Glutschein auf: Smaugs Feuer!
Da lag er, ein gewaltiger rotgoldener Drache in tiefem Schlaf. Ein Dröhnen kam aus seinem Maul und seinen Nüstern, und Rauchfäden stiegen auf, aber sein Feuer schwelte nur, wenn er schlief. Unter ihm, unter seinen Gliedmaßen und dem riesigen zusammengerollten Schwanz und überall ringsum, so weit der Boden zu übersehen war, lagen haufenweise ungezählte Kostbarkeiten, Gold, geschmiedet oder roh, Gemmen und Edelsteine und Silber, das in der Glut rötlich schimmerte.
Mit angelegten Flügeln, wie eine unermesslich große Fledermaus, lag Smaug ein wenig auf die Seite gedreht, so dass der Hobbit seine Unterseite und den langen, bleichen Bauch sehen konnte, der sich in den vielen Jahren auf diesem kostbaren Bett mit einer Kruste von Gemmen und Goldstücken bedeckt hatte. Hinter ihm, wo das trübe Licht bis zu den Wänden reichte, hingen Panzerhemden, Helme, Äxte, Schwerter und Speere, und davor standen in Reihen Krüge und Schalen voller unschätzbarer Reichtümer.
Zu sagen, dass der Anblick Bilbo den Atem nahm, wäre noch zu wenig. Es gibt keine Worte mehr für solches
Weitere Kostenlose Bücher