Der Hobbknick (German Edition)
nach ein bisschen Gold!«
Und die, die drinnen auf der Mauer saßen, schrien: »Wir sitzen gemütlich drinnen und würden es bevorzugen, von eurer Not unbehelligt zu bleiben!«
»Denkt doch mal an uns!«, riefen die draußen.
»Wir denken lieber an uns!«, riefen die anderen.
»Ihr könntet doch was abgeben von eurem Gold!«, riefen die draußen.
»Das würden wir gern sein lassen, das mit dem Abgeben!«
»Wir würden doch auch an die draußen denken, die kein Gold haben, wenn wir die wären, die drinnen sitzen und viel Gold haben!«, riefen die Goldlosen vorm Berg.
»Tatsächlich?«, riefen die von drinnen. »Habt ihr euch das auch haargenau vor Augen geführt? Ihr wisst doch: Es ist schwieriger, von Viel was abzugeben als von Wenig!«
»Was?«, riefen die draußen, weil sie nicht auf Anhieb verstanden, und die drinnen riefen:
»Wer nur sieben Kupfermünzen hat, der gibt gern zwei her! Oder?«
»Ja klar!«
»Doch wer gibt gern von siebzig Schatztruhen zwanzig her?«
Da stellten die draußen sich das vor. »So richtig große Schatztruhen?«, riefen sie nun unsicher.
»Riesige!«
»Dann blieben uns ja nur noch fünfzig riesige Schatztruhen!«
»Richtig!«
»Wo wir doch vorher siebzig hatten!«
Da endlich verstanden die draußen Stehenden, dass alle Wesen gleich waren und dass aus diesem Grund Ungleichheit unter ihnen erwuchs. Und dass alle immer haargenauso waren, wie alle anderen in ihrer Situation auch gewesen wären, und dass ein jeder das Gold (wie auch den Tand), darüber er verfügte, stets mit dem verglich, was er nicht hatte, weswegen es offenbar ein anderer haben musste, und dass jeder, der bislang nicht auf der Seite des Reichtums gestanden hatte, sich selber kaum wiedererkannt hätte, wenn er denn plötzlich auf der anderen Seite angelangt wäre. Und sie sahen, dass jeder schlecht war. Entweder geizig oder neidisch.
Und doch konnten sie alle nicht aufhören zu denken: »Wie viel Gold habe ich? (Und wie viel Tand?) Und ginge es mir nicht besser, wenn es von beidem ein bisschen mehr wäre?« Und entsetzt über sich selber erbosten sich alle über die jeweils anderen und starrten einander feindselig an. Und griffen dann kampfbereit zu ihren Äxten, Schwertern oder wasnichtallem.
Doch genau in diesem Augenblick der Verwirrung erklang ein unerwartetes Getöse. Und es rauschten, über die Bergflanken hinweg fegend, ungezählte Knorks heran! Sie ritten auf ihren schrecklichen Waasa-Wölfen, und mit einem entsetzlichen Geschrei stürmten sie auf die Albernen, die Menschen und die Lendhenzwerge zu, und sie vergaßen nicht, alldieweil abscheuliche Fratzen zu schneiden. Die Knorks aber konnte keiner von den anderen leiden: die Albernen am allerwenigsten, doch auch die Menschen nicht, und die Lendhenzwerge nicht minder.
Und also ward deutlich, dass die Knorks ihren Angriff auf den Berg Erigor nicht wirklich gut durchgeplant hatten. Denn hätten sie bedacht, dass die Albernen insgeheim die Menschen verachteten, und dass die Lendhenzwerge die Albernen hassten, und dass die Albernen allezeit geringschätzig auf die Lendhenzwerge herabblickten, und dass die Menschen sich entfernt hatten von den Albernen, und dass die Lendhenzwerge die Menschen nur deswegen nicht hassten, weil sie sie nicht für voll nahmen – mit anderen Worten: wenn die dusseligen Knorks begriffen hätten, dass, falls sie noch ein bisschen gewartet hätten, bevor sie den Berg angriffen, die drei untereinander verfeindeten Völker sich wahrscheinlich gegenseitig umgebracht hätten, sie, die Knorks, in Ruhe Gold, Tand und den Sieg über alle freien Wesen hätten aufklauben können, ja, dann hätten sie wohl noch ein bisschen gewartet mit ihrem Angriff. Aber sie begriffen´s ja nicht!
Und nun, da sie der Knorks gewahr wurden, fiel den Menschen, den Albernen und den Lendhenzwergen ein, dass sie die Unansehnlichen noch mehr hassten als sie sich untereinander nicht mochten. Und sie alle agierten solchermaßen, wie sie nicht agiert hätten, hätten sie die Knorks nicht gesehen. Sie schwangen ihre Schwerter und Äxte und was sie sonst so dabei hatten gegen die Gräulichen, schauten angestrengt böse drein, was ihnen als Drohgebärde passend schien, und waren gewillt, den Fiesen entgegen zu stürmen – zumindest aber ihnen Widerworte zu geben.
Doch in jenem Moment, da Handlungen puren Hasses auszubrechen drohten, schrie der Größte und Hässlichste aller Knorks, offenbar ihr Anführer, ins durchschattete Tal: »Wünscht ihr dem Tode zu
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