Der Hobbnix - Die große Tolkien-Parodie 2: Hobbnix 2
Hobbnixhöhle – a deux . »Ich hoffe«, sagte ich zu Heinrich und schmunzelte über meine Geistesgegenwart 20 , »ich hoffe, es heißt dann nicht Adieu .« Oh, wie er sich darüber amüsierte! Jedenfalls gab er ein grelles »Wu-hu-wu« von sich, das ganz bestimmt Amüsement ausdrückte.
Was Geister betrifft, gibt es jede Menge Missverständnisse. Etwa die Annahme, dass sie keine Nahrung zu sich nehmen. Tatsächlich nehmen sie jede Menge Nahrung zu sich. Natürlich kein Fleisch, so wie wir. Sie essen Seelen. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Holen Sie sich einfach, sagen wir, eine Ziege in die Küche und töten Sie sie nach dem Ritual der Vorvorväter, sodass Ihr Geist-Gast (oder Gast-Geist) die Seele der zitternden Kreatur verzehren kann, während die Kerzen im Wind flackern, die Schatten an den Wänden tanzen, die Fensterscheiben in ihren Rahmen rütteln, die Tische und Stühle hin und her springen und ein grausiges Stöhnen die Luft erfüllt. Dann, wenn Ihr Geist die letzten Stücke der bedauernswerten Ziegen-Seele vertilgt hat, können Sie sich selbst ein schönes Stück Schulter abschneiden und es in Butter und Knoblauch braten.
Unser erstes Rendezvous! Jetzt blicke ich natürlich mit einem Gefühl der Wärme und Zärtlichkeit darauf zurück. Damals jedoch zitterten mir die Knie vor Angst – aber genau das war es, was uns zueinander hinzog. Heinrich liebt es, die Lebenden in Angst und Schrecken zu versetzen, und ich, ein lebender Hobbnix – ich liebe es, in Angst und Schrecken versetzt zu werden.
So. Endlich ist die Wahrheit auf dem Tisch. Ich liebe es, in Angst und Schrecken versetzt zu werden. 21 Es ist für einen Hobbnix nicht leicht, das zuzugeben, aber so ist es nun mal. Jegliche Gefahren vermeiden, ein komfortables, völlig unaufgeregtes Leben führen – das, so nimmt man gemeinhin an, ist das Wesen des Hobbnixseins. Nun, ich kann nicht für alle sprechen, aber ich weiß, dass das auf viele Hobbnixe einfach nicht zutrifft. Ich für meinen Teil liebe es, wenn die Angst das Adrenalin freisetzt. Ich liebe es, wenn sich die Haare auf meinen Fußrücken aufrichten. Ich liebe es, wenn mein Herz zu rasen beginnt, oder um genau zu sein: wenn es von einem gemütlichen Spaziergang zu einem Hundert-Meter-Sprint wechselt. Von Hobbnixen wird gemeinhin angenommen, dass sie Ruhe und Frieden über alles stellen. Aber ich sage: Ruhe und Frieden sind … langweilig!
Ein Therapeut hat einmal vermutet, dass dieser sehr spezielle Fetisch von meinem großen Abenteuer herrührt. Tatsächlich war ich vorher ein ganz gewöhnlicher Hobbnix, aber die Reise mit Ganzalt und den Zwergen hat mich mit unzähligen Gefahren konfrontiert; ja, die meiste Zeit über war ich nicht weniger als zu Tode erschrocken. Und als ich nach Hause zurückkehrte, schien dieses traumatische Erlebnis meinen Gefühlshaushalt völlig verändert zu haben. Nun war ich es gewohnt , Angst zu haben, ja, ich sehnte mich geradezu danach: nach der Gefahr, dem Nervenkitzel, dem Geruch von Napalm am Morgen. Ich liebe es einfach!
Wie auch immer, Heinrich und ich beschlossen, zusammenzuziehen. Das heißt, Heinrich beschloss, in meine Höhle zu ziehen, wozu ich nicht lange überredet werden musste. Und seither lebt er bei mir. Natürlich habe ich nicht mehr so viel Angst vor ihm wie zu Beginn, aber da ist noch immer diese gewisse Magie zwischen uns. Und ich kann mich stets auf ihn verlassen, wenn es um meine Schriftstellerkarriere geht. So strich er etwa die vielen Filetierszenen in Der Herr der Heringe auf ein, wie er es nannte, »akzeptables Maß« zusammen und fügte dafür eine Reihe Fisch-unabhängiger Passagen ein, in denen es um eine große Queste, jede Menge Schlachten und andere Dinge (und Ringe) ging. Keine Ahnung, was das sollte, aber es klang echt gut. Das einzige Buch, bei dem er es ablehnte, mir zu helfen, war die Ganzalt-Biografie. »Ich habe den Mann ja nie kennengelernt«, argumentierte er. »Wie soll ich da einen sinnvollen Beitrag leisten?« Glücklicherweise machte das nichts: Der Verlag war, wie ich bereits sagte, mit Die fünfzig geheimen Stellungen von Ganzalt dem Geilen überaus zufrieden und versicherte mir, dass man es wortwörtlich, so wie ich es geschrieben hatte, veröffentlicht und ganz bestimmt nicht durch irgendeinen pornographischen Text ersetzt hatte.
Aber wo war ich? Ach ja. Nachdem also Tante Marlen gegangen war, ohne ihren Tee anzurühren, kam Heinrich ins Wohnzimmer. Er flatterte einige Zeit an der Decke herum, rüttelte
Weitere Kostenlose Bücher