Der Hochzeitsvertrag
Bauchschmerzen wurden bislang gemeldet. Ich bin fest überzeugt, dass wir das Schlimmste überstanden haben."
Emily wagte kaum, danach zu fragen, sprach Nicholas aber doch darauf an: "Und Sie bestehen immer noch darauf, dass wir vierzehn Tage hier in Quarantäne bleiben?"
"Ich muss, Emily. Bitte versteh das doch. Frühstücke erst einmal in Ruhe, dann kannst du nach unten kommen. Die Bibliothek steht dir heute den ganzen Tag zur Verfügung. Ich werde woanders arbeiten."
Emily war erleichtert. Sie durfte Joshua sehen und ihr Zimmer verlassen! "Kann ich mich irgendwie erkenntlich zeigen, Mylord?"
Er verzog die Lippen zu einem Lächeln. "Du könntest zum Beispiel aufhören, mich Mylord zu nennen, mich duzen und Nicholas zu mir sagen."
Emily schmunzelte. Offenbar bedeutete sie ihm doch etwas. Sie verbarg ihr Entzücken, indem sie sich mit den Hohlnahtsäumen ihrer Bettdecke beschäftigte. "Ich hätte dich immer schon siezen müssen, aber niemand hat es für nötig gehalten, mich zu korrigieren. Außer deinem Vater. Aber der war ohnehin entsetzt darüber, dass ich es überhaupt wagte, mich deiner Bekanntschaft zu rühmen."
"Du hast dich mit meinem Vater unterhalten? Unglaublich! Dabei hat er ja selbst an mich nur selten das Wort gerichtet, geschweige denn an irgendein anderes Kind." Nicholas lehnte sich gegen den Türrahmen.
Emily zögerte, bevor sie antwortete: "Oh, ich war kein Kind mehr, als er das erste und letzte Mal mit mir redete. Er nannte mich eine Jezebel. Und er wies mich in die Schranken."
"Dieser Mistkerl", schimpfte Nicholas. Wie empört er war, das erstaunte Emily ebenso wie das Schimpfwort, mit dem Nicholas seinen Vater titulierte. "Ich hoffe, dass er nicht allzu grob dir gegenüber wurde."
"Nun, um ehrlich zu sein, er hat sich nicht zurückgehalten. Aber das ist lange vorbei und vergessen. Es gibt genug wichtigere Dinge, an die du denken musst. Wenn du Joshua siehst, sag ihm bitte, dass ich einen ausführlichen Reisebericht erwarte. Er soll sich ruhig schon mal überlegen, was er mir erzählen will. Das dürfte ihn den Tag über beschäftigen. Er soll sich ja nicht langweilen."
"Wie klug von dir. Eine wunderbare Idee", bemerkte er.
"Meine Klugheit kennt keine Grenzen. Und meine Schicksalsergebenheit auch nicht. Ja, die Zeit hat mich Demut gelehrt." Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. Er sollte es ja nicht wagen, ihr zu widersprechen!
Nicholas schüttelte den Kopf und lachte. "Ich fürchte, du hast dich kein bisschen verändert, Emily!"
"Da täuschst du dich, Nicholas. Sogar sehr", sagte sie leise, als Nicholas die Tür hinter sich zuzog, und erhob sich. In diesem Moment fiel die Serviette, die aufrecht neben ihrem Frühstücksteller gestanden hatte, um. Emily blickte hinüber und sah, wie sie sich auffaltete.
Einen Augenblick lang hielt sie überrascht die Luft an, dann erklärte sie dem Geist, von dem sie sich beobachtet wähnte: "Wirklich – ich bin nicht mehr das eigenwillige Kind, das ich einmal war!"
Ertönte nicht irgendwo ein leises, perlendes Lachen? Diesmal erschrak Emily nicht mehr, denn was sie hörte, klang aufmunternd. Und außerdem glaubte eine aufgeklärte Pfarrerstochter wie sie sowieso nicht an die Existenz von Gespenstern.
Als wollte sie sich das beweisen, wusch Emily sich gründlich und betont langsam. Daraufhin öffnete sie im Ankleidezimmer den Schrank der Countess of Kendale. Nach einigem Zögern wählte sie mit klopfendem Herzen frische Unterkleidung und Strümpfe aus.
"Sehen Sie?" erklärte sie, während sie das Oberkleid über eine bestickte Chemisette und das Korsett streifte. "Wenn ich wirklich dächte, dass Sie hier wären, würde ich es gar nicht wagen, mir etwas auszuleihen, was einst Ihnen gehört hat: weder einen Unterrock noch die Strümpfe und schon gar nicht diese Pantoffeln." Sie schlüpfte in die bequemen, wenn auch etwas zu großen reich bestickten Hausschuhe, die sie gefunden hatte, und setzte sich dann zum Frühstück.
Und was ist mit dem Sohn der Countess?
"Oh nein. Den will ich nicht mehr", sagte Emily laut und meinte es auch so. "Glauben Sie mir, Mylady, ich habe meine Lektion gelernt."
3. Kapitel
Der Tag schien kein Ende nehmen zu wollen. Gelangweilt blätterte Emily in einem Buch mit Gedichten und konnte ihre Ungeduld kaum mehr bezähmen. Bedauerlicherweise gab es keine interessantere Lektüre in der Bibliothek der Kendales, und das machte ihr das Warten nicht leichter. Wie es wohl dem armen Joshua ging? Er hatte vermutlich nicht
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