Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hochzeitsvertrag

Der Hochzeitsvertrag

Titel: Der Hochzeitsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyn Stone
Vom Netzwerk:
einmal Lesestoff!
    Beim Stundenschlag der vergoldeten Stutzuhr auf dem Tischaufsatz zuckte sie zusammen. Sie klappte das Buch zu und stand auf. Würde Nicholas denn nie nach ihr schicken? Seine Männer mussten doch schon längst gegessen haben. Unruhig ging sie im Raum hin und her.
    Nicholas hatte ihr versprochen, sie könne Joshua nach dem Abendessen sehen. Ihr eigenes Dinner war ihr vor einer halben Stunde in die Bibliothek gebracht worden. Sie hatte ihm nicht viel abgewinnen können – vielleicht auch deshalb, weil sie vor Aufregung das Mahl zu eilig hinuntergeschlungen hatte.
    "Bist du fertig?" fragte Nicholas, der den Kopf zur Tür hereinsteckte. "Dein Bruder möchte, dass du zu ihm kommst."
    "Endlich!" rief sie erleichtert aus und eilte ihm entgegen. "Wie geht es ihm denn?"
    "Hervorragend, und er freut sich darauf, dich endlich zu sehen." Nicholas fasste sie am Ellbogen.
    Mehr, um mich daran zu hindern, unziemlich zu hasten, als um mich zu führen, vermutete Emily insgeheim. Entschlossen, sich so damenhaft wie möglich zu benehmen, schritt sie langsamer, aufrechter als sonst, um ihrer Familie alle Ehre zu machen.
    Als sie den Flur im Gesindehaus erreicht hatten, von dem der Schlafraum ihres Bruders abging, war es allerdings um ihre Beherrschung geschehen. Die Tür zu Joshuas Zimmer stand offen, und hätte Nicholas sie nicht am Arm gepackt und zurückgehalten, wäre Emily hineingeeilt, um Joshua in die Arme zu schließen.
    "Halt, Emily! Du darfst ihm nicht zu nahe kommen", warnte er sie. "Bitte geh kein unnötiges Risiko ein!"
    "Joshua, mein Liebling!" rief Emily aus, überglücklich, ihren Bruder zu sehen, und ignorierte ihren Begleiter.
    Wie groß Joshua in den vergangenen Monaten geworden war! Ihr Blick glitt über sein Gesicht, die langen dünnen Arme. Als ihr Bruder geboren wurde, war Emily erst zwölf Jahre alt gewesen. Weil ihre Mutter kurz nach seiner Geburt an Kindbettfieber gestorben war, war es ihr zugefallen, den kleinen Jungen großzuziehen. Für sie war er mehr ein Sohn als ein Bruder. Und nun war er ihr fast entwachsen.
    "Wie geht es dir? Ich möchte es aus deinem eigenen Mund hören", bat sie ihn.
    "Ach, ganz gut." Er verschränkte die dünnen Arme vor dem mageren Brustkorb und zog die Augenbrauen düster zusammen. "Und ich muss dir leider sagen, liebe Schwester, dass du dein Schicksal besiegelt hast, indem du hierher gekommen bist."
    "Nein, nein, mein Liebling, deswegen musst du dir keine Gedanken machen", beruhigte sie ihn. "Lord Kendale hat mir versichert, dass die Ansteckungsgefahr nicht mehr sehr groß ist. Du musst keine …"
    "Ich spreche nicht von der Ansteckungsgefahr, Emily", erklärte er. "Deine bloße Anwesenheit hier ist für dich gefährlicher als jede Krankheit."
    "Was meinst du damit?" fragte sie. "Was könnte schlimmer als die Cholera sein?"
    Er atmete tief ein. Sein Blick wanderte zu Nicholas, dann wieder zu Emily. "Wenn du ihn nicht heiratest, wirst du für immer persona non grata sein. Stimmt das nicht, Mylord?"
    Emily hörte, wie Nicholas, der hinter ihr stand, sich räusperte. Zunächst dachte sie, dass er nicht auf Joshuas ungehörige Frage eingehen würde. Nach einer Weile seufzte er. "Du hast natürlich Recht, Loveyne. Sie ist hoffnungslos kompromittiert, wenn auch nicht durch eigene Schuld."
    "Aber auch nicht durch deine!" rief Emily aus. "Nicholas, du kannst doch nicht im Ernst …"
    "Mit unserer Heirat können wir die Dinge gütlich beilegen, Emily. Joshua hat jedes Recht, das von mir zu fordern", sagte er sachlich.
    "Er weiß doch gar nicht", erwiderte sie, "welche Probleme eine derartige Mesalliance mit sich bringt. Er ist noch ein Kind!"
    "Joshua ist dein Bruder, Emily", erwiderte Nicholas, als gäbe es Joshua ein Recht, sich in die Angelegenheiten zweier erwachsener Menschen einzumischen. "Natürlich kann dich niemand zwingen, in eine Heirat mit mir einzuwilligen, aber trotzdem möchte ich dich bitten: Werde meine Frau!"
    Emily warf ihm einen prüfenden Blick zu. Seine Stimme ließ auf keine Gefühlsregung schließen, seine Miene war ausdruckslos. Weder Wut noch Zufriedenheit spiegelten sich auf seinem Gesicht wider. Was dachte Nicholas wohl wirklich? Offenbar sah er keinen anderen ehrenvollen Ausweg aus der verfahrenen Situation, die sie verschuldet hatte. Doch wenn sie den Heiratsantrag ablehnte …
    Sie sollte es tun. Mit einem Mal wurde ihr das Herz schwer. Auf der einen Seite würde sie den Stolz ihres Bruders verletzen und in seiner Achtung sinken, wenn sie

Weitere Kostenlose Bücher