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Der Hochzeitsvertrag

Der Hochzeitsvertrag

Titel: Der Hochzeitsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyn Stone
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geweigert, Nicholas jemals wieder zu sehen. Aber das wäre töricht. Sie war noch nie vor Schwierigkeiten davongelaufen. Das war gegen ihre Natur.
    Dennoch vermied sie es, Nicholas in die Augen zu sehen. Mörderische Absichten in ihnen lesen zu müssen. Dass er ihr direkt gegenübersaß und offensichtlich vorhatte, die ganze Reise gegen Fahrtrichtung zu sitzen, machte es ihr nicht einfach.
    Ein flüchtiger Blick verriet ihr, dass er lächelte. Sie ignorierte ihn. Glücklicherweise versuchte er nicht, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Nach ein paar Bemerkungen über die Mietkutsche – die, wie sie zustimmte, besser gefedert, allerdings weniger elegant war als die eigene – hatte er geschwiegen und sie sich selbst überlassen.
    Je dunkler es draußen wurde, desto düsterer wurden auch Emilys Gedanken. Die Sonne war schon fast hinter dem Horizont versunken. Emily lehnte sich in die Ecke der Sitzbank zurück und wünschte, sie wäre Nicholas nie begegnet. Ihre Schulter schmerzte, sie hatte sich im Sattel wund geritten. Wie sehr sehnte sie sich nach einem langen, heißen Bad. Ermattet schloss sie die Augen. Bald schlief sie ein.
    "Wir sind bald da", meinte Nicholas mit leiser Stimme und rüttelte sie sanft an den Schultern.
    Benommen richtete Emily sich auf, verwundert darüber, dass sie trotz ihrer unbequemen Stellung eingeschlummert war, und rieb sich die Augen. Neugierig blickte sie aus dem Fenster. Es war spät, und dennoch war viel Verkehr auf den Straßen. Die Hufeisen der Pferde erzeugten auf den Pflastersteinen Londons ein hartes, klickendes Geräusch. Es roch streng. Laternen beleuchteten ihren Weg.
    Sie fuhren an prächtigen großen Häusern vorbei, die im Schein der Lampen deutlich zu sehen waren. Dann hielten sie an, und plötzlich begann Emily zu zittern. Was würde sie hier erwarten?
    Was wird Mrs. Waxton, die alte Haushälterin wohl von mir denken? Die Haushälterin von Bournesea Manor hatte nie etwas für sie übrig gehabt. Und Rosie Hempstead, mit der Emily als Kind gespielt hatte? Was würde Rosie davon halten, sie "Mylady" nennen zu müssen? Nein, die Bediensteten würden es bestimmt nicht billigen, dass eine Pfarrerstochter vom Land über ihren Stand hinaus geheiratet hatte. Warum hatte sie nur darauf bestanden, mitzukommen?
    Der Gedanke an die Missbilligung des Personals, die ihr entgegenschlagen würde, ließ sie laut aufstöhnen. "Ich möchte heute Nacht nicht hier bleiben. Können wir nicht irgendwo anders übernachten?" fragte sie ängstlich.
    Nicholas tastete im Dunkeln nach ihrer Hand und nahm sie in seine. "Sorge dich nicht, Emily. Alles wird gut werden. Vertrau mir."
    Ihm vertrauen? Am liebsten hätte Emily laut aufgelacht. Sie würde diesem Schuft nie mehr vertrauen.
    Doch sie setzte sich aufrecht hin, strich ihre Röcke glatt und versuchte, Mut zu fassen. Hatte sie nicht schon Schlimmeres durchgemacht? Sie war eine Countess. Wem das nicht passte, der sollte … der sollte …
    Noch bevor sie sich hatte entscheiden können, welche Strafe für jemand angemessen war, der sie nicht mit dem nötigen Respekt behandelte, öffnete Wrecker den Wagenschlag und klappte die Treppe aus. Nicholas verließ die Kutsche als Erster und drehte sich dann um, um Emily beim Aussteigen behilflich zu sein.
    Dankbar reichte Emily ihm die Hand und konzentrierte sich darauf, mit den Füßen die Stufen zu ertasten, um nicht auf ihre bodenlangen Röcke zu treten und kopfüber mit dem Londoner Erdboden Bekanntschaft zu machen. Das wäre kein gutes Omen. Die Schlagzeile in den Morgenzeitungen konnte sie sich nur zu gut vorstellen: "Die neue Countess findet sich in der Gosse wieder!"
    "Willkommen in Kendale House", begrüßte Nicholas Emily, als sie auf den Bürgersteig trat.
    Verwirrt kniff Emily die Augen zusammen. Das Licht, das die Gaslaternen vor dem düsteren Nachthimmel verbreiteten – Wunderwerke, von denen sie schon gelesen, die sie aber noch nie zu Gesicht bekommen hatte – war sehr hell. Dann fiel ihr Blick auf das Haus.
    Es ragte grau und bedrohlich vor ihnen auf. Abweisend. Die Fenstergiebel warfen dunkle Schatten auf den weißen Stuck, die Rustikaquader der unteren Vorderfront zeugten von Reichtum und Macht. Das Herrenhaus der Kendales in Bournesea war größer, sah aber nicht halb so unfreundlich aus wie dieser Palast.
    Wer auch immer ihn erbaut haben mochte, er wollte bezwecken, dass sich unbedeutende Menschen noch unbedeutender fühlten. Und dieses einschüchternde Gebäude sollte für sechs Monate

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