Der Hochzeitsvertrag
Dienstboten da unten nichts von dem erzählen werde, was hier oben passiert."
"Klatsch?" fragte Emily zögernd. Sie war sich nicht sicher, ob sie davon erfahren wollte.
"Oh, das Personal wird morgen wissen wollen, wie eine Pfarrerstochter wie Sie zu einem Earl kommt. Wir aus Bournesea kennen die Geschichte ja …"
"Welche Geschichte?" unterbrach Emily sie verblüfft. "Was genau meinst du?"
"Na, dass der junge Earl schon unter Ihren Röcken war, bevor er wegging." Es sprudelte aus Rosie heraus: "Und jetzt, wo er zurück ist, hat ihn Ihr Vater zur Rechenschaft gezogen, nicht wahr? Ich finde das großartig! Ich wünschte, mein Vater hätte den Mut gehabt, den Earl zu zwingen, mich zu heiraten."
Emily starrte die junge Frau an und war sich nicht sicher, was Rosie damit sagen wollte. "Dich zu heiraten?"
Rosie zuckte die Schultern. "Warum nicht? Nun, er hatte Gefallen an mir gefunden, wenn Sie wissen, was ich meine."
"Du … du hast mit dem Earl of Kendale … das Bett geteilt?" fragte Emily schockiert.
"Ja, ich habe ihm das Bett gewärmt." Sie sah sich um, ehe sie flüsternd hinzufügte. "Und ich muss zugeben, es war nicht halb so schlimm, wie ich befürchtet hatte."
10. Kapitel
"Vielen Dank, Rosie, ich denke, das wäre dann alles. Du kannst dich zurückziehen", sagte Emily steif, nachdem sie die Fassung wiedergefunden hatte. "Es lohnt sich nicht, Wasser einzulassen. Ich bin zu müde für ein Bad."
Gewiss war es nicht Nicholas' Vater gewesen, dem Rosie im Bett Gesellschaft geleistet hatte. Von einer derartigen Beziehung hätte Rosie ja wohl kaum mit einem zufriedenen Lächeln gesprochen. Nein, es musste Nicholas gewesen sein, der das arme Ding verführt, ihr den Kopf so verdreht hatte wie ihr selbst. Am liebsten hätte Emily mit der Faust auf den Waschtisch geschlagen, so aufgebracht war sie darüber, wie töricht junge Frauen doch sein konnten. Aber sie beherrschte sich.
Rosie sagte zögernd: "Emily. Ich meine, Mylady …" Sie zuckte zusammen, als Emily ihr einen tadelnden Blick zuwarf. "Bitte verzeihen Sie … Das war wohl nicht richtig, nicht? Ich hätte Ihnen nichts über mein Verhältnis zu seiner Lordschaft erzählen dürfen …" Unglücklich blickte sie Emily an.
Emily sah, dass Tränen in den Augen des Mädchens schimmerten. "Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist einfach spät, und ich bin wirklich sehr erschöpft von der Reise. Und du solltest auch zu Bett gehen."
"Werden … werden Sie mich entlassen?" fragte Rosie verängstigt.
"Nein. Und jetzt geh bitte."
Rosie drehte den Wasserhahn zu. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern verließ sie das Badezimmer.
Das Mädchen hätte eine Ermutigung gebraucht, das war Emily klar, doch sie selbst war viel zu müde und verbittert, als dass sie ihrer Zofe hätte Trost spenden können. Natürlich war Rosie nicht schuld an dem, was passiert war. Vor sieben Jahren war sie ja fast noch ein Kind gewesen, und Emily konnte ihr keinen Vorwurf machen, weil sie Nicholas' Charme erlegen war. Obwohl Emily zwei Jahre älter war als sie, war sie in eine ähnlich Situation geraten. Ihr Mann war skrupellos und schamlos!
Plötzlich empfand sie doch Mitleid mit Rosie, da diese in so jungen Jahren ihre Unschuld verloren hatte. "Ach, Rosie, ich bevorzuge Kaffee zum Frühstück, nicht Tee", rief sie der jungen Frau in freundlicherem Tonfall nach.
Als Rosie herumwirbelte, strahlte sie übers ganze Gesicht. "Läuten Sie, wenn Sie wach sind, Mylady. Ich werde schneller hier sein, als Sie bis drei zählen können."
Emily seufzte erleichtert auf, als Rosie die Tür endlich hinter sich schloss und sie allein war. Alle Glieder taten ihr weh. Und sie fühlte sich verletzt.
Dass Nicholas den Verlobungsvertrag verschwiegen hatte, war bedenklich genug gewesen. Aber dass er mit Rosie das Bett geteilt hatte, vermutlich sogar zur selben Zeit, zu der er sie umworben hatte, war ein noch schlimmerer Verrat. Er hatte Dierdre und Emily übel mitgespielt.
"Er war jung", sagte sie sich. Aber das war keine Entschuldigung dafür, dass er sie, was die Verlobung mit Dierdre anging, belogen hatte. Sosehr sie nach einer Entschuldigung für sein Fehlverhalten suchte, es fiel ihr keine ein.
Nun, sie war mit ihm verheiratet und musste das Beste daraus machen. Aber die Zukunft sah mehr als düster aus.
Emily entkleidete sich und nahm trotz ihrer Müdigkeit ein kurzes, kaltes Bad. Nachdem sie sich sauber geschrubbt hatte, stieg sie aus der Wanne, hüllte sich in ein Handtuch ein und
Weitere Kostenlose Bücher