Der Hochzeitsvertrag
sie.
"Natürlich nicht! Wir sind gerade erst angekommen."
"Dann möchtest du dich vielleicht um deine eigenen Angelegenheiten kümmern, während ich mich um meine kümmere. Geh und tue …", sie wedelte mit der Hand, "… was auch immer ein Earl zu tun pflegt."
Nicholas lachte. Dann trank er aus, warf seine Serviette neben seinen Teller und erhob sich.
Im ersten Augenblick dachte Emily, er würde ohne ein weiteres Wort aus dem Frühstückszimmer eilen, doch stattdessen beugte er sich vor und küsste sie auf den Mund.
Hitze schoss ihr in die Wangen, als seine Lippen die ihren berührten. Er schmeckte nach Tee, etwas Süßem und – Nelken. Sanft streichelte er ihren Nacken. Es ist himmlisch, dachte Emily noch, da war der Moment auch schon wieder vorbei.
Nicholas ließ sie los und richtete sich auf. "Du erstaunst mich immer wieder", sagte er liebevoll und wirkte gleichzeitig amüsiert. "Manchmal machst du mir mit deiner Tüchtigkeit richtig Angst. Gibt es irgendetwas, was du dir nicht zutraust? Was du nicht kannst?"
Benommen sah sie zu ihm auf. "Nein!" sagte sie unglücklich. Sie wollte mehr, auch wenn sie das nicht sollte.
Er lachte noch einmal, und dann verließ er sie.
Wären ihr die Knie nicht so weich gewesen, wäre Emily ihm nachgeeilt. Aber sobald sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, war sie froh, dass sie es nicht getan hatte. Erst jetzt wurde ihr klar, was sie gesagt hatte. Doch Nicholas hatte sie missverstanden.
Es gab durchaus etwas, was sie nicht konnte. Nicht allein tun konnte. Doch weil Nicholas es mit so vielen anderen Frauen getan hatte, sollte sie sich besser nicht nach ihm verzehren. Sie hätte ihren letzten Penny gewettet, dass Rosie nicht die erste Frau für ihren Mann gewesen war. Und auch nicht die letzte.
Natürlich hatte Nicholas das Recht, seiner angetrauten Ehefrau die Unschuld zu nehmen, aber Emily wusste, dass sie sich jedes Mal, wenn er mit ihr den Akt vollzog, fragen würde, wer außer ihr in Kendale House seine Aufmerksamkeiten genießen durfte. Rosie vielleicht.
Nein, sie konnte Nicholas nicht vertrauen, und solange sich das nicht änderte, würden sie auch kein normales Eheleben führen.
Bald nachdem der Earl of Kendale gegangen war, erschien Upton. "Das Personal hat sich in der Halle versammelt, wie Sie angeordnet haben, Mylady."
Emily wäre fast aufgesprungen, erinnerte sich aber noch rechtzeitig an ihre gesellschaftliche Stellung. Sie ignorierte ihn, während sie in aller Ruhe den letzten Rest des Brötchens aß, spülte ihn mit dem Rest des Kaffees hinunter und wischte ihren Mund mit der Serviette ab. Dann sah sie auf die kleine Taschenuhr, die sie hervorgeholt hatte und zog überrascht die Augenbrauen hoch. "Ich denke, ich hatte neun Uhr gesagt, Mr. Upton!"
"Das haben Sie, Mylady", erwiderte er und hob ungnädig das Kinn. "Es ist zehn vor neun."
"Ich weiß, wie spät es ist! Gehen Sie, und warten Sie mit den anderen Dienstboten, bis es Zeit ist!"
Wortlos drehte er sich um und verließ das Zimmer.
Emily wusste, dass sie sich gerade einen Feind gemacht hatte, aber Upton war von Anfang an unfreundlich zu ihr gewesen.
Ja, wenn sie darüber nachdachte, so schien ihr, dass er es auch Nicholas gegenüber an Respekt hatte mangeln lassen. Die verkniffenen Lippen und seine Arroganz verhießen für die Zukunft des Butlers nichts Gutes. Nicholas' Vater hatte ihn eingestellt, und es war unfein, altgediente Dienstboten vor die Tür zu setzen. Aber wenn Upton seiner neuen Herrschaft gegenüber nicht bald dieselbe Loyalität wie gegenüber seinem verstorbenen Herrn zeigte, müsste man ihn entlassen.
Emily schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee aus der Silberkanne auf dem Tisch ein, die dritte und letzte. Absichtlich wartete sie acht Minuten, bevor sie austrank, sich erhob und sich ihren Aufgaben widmete.
11. Kapitel
Als Nicholas am Abend desselben Tages nach Kendale House zurückkehrte, war er gereizt und erschöpft. Er hoffte, dass die Dinge sich für Emily besser entwickelt hatten als für ihn.
Sein Gespräch mit Lord Chalmers war nicht zufrieden stellend verlaufen: Nicholas hatte erkennen müssen, wie überflüssig es gewesen war, der Regierung Informationen zukommen zu lassen. Lord Chalmers und sein Sekretär hatten Nicholas' Warnungen vor Aufständen in Indien offensichtlich nicht ernst genommen. Außerdem waren sie derzeit damit beschäftigt, das Debakel des Krimkriegs zu verarbeiten. Im März dieses Jahres war der Friedensvertrag in Paris unterzeichnet
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