Der Hochzeitsvertrag
sah nach einer Nacht wie der letzten gewiss schrecklich aus. Dennoch hätte sie Nicholas gern berührt, nur um sicherzugehen, dass die letzte Nacht kein Traum gewesen war.
Schläfrig kuschelte sie sich in die Kissen, zog die Beine an und erinnerte sich daran, wie Nicholas sie berührt und geküsst hatte und wie wundervoll es sich angefühlt hatte, ihn in sich zu spüren. Mein Nicholas. Er war ein Teil von ihr geworden, so wie er immer ein Teil ihrer Seele gewesen war. Noch immer roch sie seinen männlichen, betörenden Duft.
Emily erinnerte sich auch an den Ausdruck völliger Verzückung auf seinem Gesicht, als sie sich vereinigten. Er liebt mich, dachte sie mit einem seligen Lächeln. Endlich war Nicholas ihr Mann – vor Gott und vor der Welt. Dass er ihr seine Liebe gestanden hatte, machte sie unendlich glücklich. Nicholas, der recht grob sein konnte, dessen Witz oft so beißend war, hatte so romantische Dinge zu ihr gesagt. Das verlieh seinen Worten noch mehr Bedeutung.
Glücklich drehte sie sich auf den Rücken und schloss einen Moment die Augen. Wenn Nicholas zurückkäme und sie so vorfinden würde? Würde es ihm etwas ausmachen, dass ihr das Haar wirr ins Gesicht hing und sie nicht gerade wie eine Rose duftete? Wahrscheinlich nicht, dachte sie verträumt.
Aber trotzdem sollte sie sich besser frisch machen. Widerwillig stand sie auf und ging zur Waschschüssel hinüber, neben der ein großer Krug mit Wasser stand. Sie wusch sich ohne Eile und trocknete sich mit dem Leintuch ab, das auf der Kommode lag.
Nicholas war noch immer nicht zurück. Ob er wohl bald kommen würde? Sie sehnte sich so sehr danach, ihm zu sagen, wie sehr sie ihn liebte und wie sehr sie die letzte Nacht genossen hatte.
Ratlos sah sie sich um. Es war kalt. Sollte sie wieder ins Bett schlüpfen und dort auf ihren Mann warten?
Eigentlich blieb ihr nichts anderes übrig. Außer dem Nachthemd, das Duquesne ihr geliehen hatte, hatte sie nichts anzuziehen. Ob es dem Viscount etwas ausmachte, wenn sie sich von ihm etwas borgte, bis Nicholas ihre Kleider geholt hatte? Nur um ihre Blöße zu bedecken?
Zögernd stand sie da. Schließlich öffnete sie mit einigen Gewissensbissen den Kleiderschrank ihres Gastgebers und nahm sich eine Hose, ein Hemd und schwarze Strümpfe heraus.
Wie sie feststellte, war ihr seine Hose in den Hüften ziemlich_eng, und die Hosenbeine waren ihr natürlich zu lang. Das Leinenhemd, das sie vom Bügel nahm, reichte ihr gar bis zu den Knien. Sie stopfte es also in den Bund. Obgleich sie sich in diesem närrischen Aufzug ziemlich unwohl fühlte, legte sie noch eine von Duquesnes Seidenwesten an, um ihre Brüste nicht so zur Geltung zu bringen. Durch das Hemd hatten sich die festen Rundungen deutlich abgezeichnet, obwohl es zu weit war.
Sie sah in den Spiegel auf dem Waschtisch und hielt unwillkürlich den Atem an. Ich schaue fürchterlich aus! Nicht nur, dass die Weste und das Hemd lose an ihr hingen – die Hose saß unsittlich eng, und ihre Locken standen nach allen Seiten ab. Mit den Händen glättete sie sie und flocht sie in Ermangelung von Haarnadeln im Nacken zu einem Zopf. Es ist ein Glück, dass ich in diesem Aufzug nicht auf die Straße muss, dachte Emily, als sie sich noch einmal im Spiegel betrachtete. Das wäre das Ende der Countess of Kendale.
Unglücklich blickte sie auf ihre Füße hinunter, die jetzt schon kalt zu werden begannen. Die viel zu großen Herrenstrümpfe warfen an den Zehen große Falten. Hoffentlich kehrt Nicholas bald zurück aus Kendale House und bringt mir etwas zum Anziehen mit, dachte Emily. Sie nahm im Lehnstuhl am Kamin Platz, um auf ihn zu warten.
Die Zeit schien nicht zu vergehen. Nichts passierte. Während die schwarzen Zeiger der Konsoluhr auf dem Kamin gemächlich vorrückten, blieb im Haus alles ruhig. Eine Stunde verging, dann eine zweite. Doch Nicholas kehrte nicht wieder.
Emily begann, sich Sorgen zu machen. Hatte Nicholas sie hier zurückgelassen, weil er herausfinden wollte, wer das Feuer gelegt hatte? Wenn ihm nun dabei etwas passiert war?
Unruhig ging sie in den viel zu weiten Socken im Zimmer auf und ab. Die gehobene Stimmung, in der sie beim Aufwachen gewesen war, wich nach und nach Angst und Verwirrung. Schließlich ertrug Emily das Warten nicht länger. Nervös biss sie sich auf die Lippe und ging zögernd zur Tür.
In diesem Aufzug durfte sie das Zimmer eigentlich nicht verlassen. Es war höchst unschicklich, das zu tun. Aber Nicholas konnte auch nicht
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