Der Höllenbote (German Edition)
Abdrücke. Er spürte den Boten direkt hinter sich, spürte, wie dieser ihn führte. Als der Bote den linken Fuß vor den Körper stellte, bewegte sich auch Carltons linker Fuß nach vorne. Als die rechte Hand des Boten den Griff des Hammers fester packte, packte auch Carltons rechte Hand fester zu.
Als das Herz des Boten schlug, schlug Carltons Herz im exakten Gleichtakt.
Ihre gemeinsamen Schritte brachten ihn in das Büro der Wohnheimbetreuerin. Eine schlanke, drahtige Frau. Zu ihren Aufgaben hatte es gehört, die Mädchen zu beaufsichtigen, wenn sie nach dem Sportunterricht duschten – eine Aufgabe, über deren Sinn Carlton nur spekulieren konnte. Sie hatte schieferbraunes Haar, kurz und struppig, einen lang gestreckten, muskulösen Körper, kaum Brüste. Nicht mehr die Jüngste, sie ging vermutlich auf die 50 zu. Eine der Ersten, die Carlton getötet hatte. Er hatte das abgeschrägte Ende des Hammers von oben in ihre Wirbelsäule gerammt. Sie hatte nicht einmal mitbekommen, wie er das Büro betrat, so vertieft hatte sie sich über den Papierkram auf ihrem Schreibtisch gebeugt. Einige Sekunden hatte sie sich zuckend auf dem Boden gewunden, dann war sie mit einem letzten Zucken gestorben.
Aber es hielt sich noch jemand im Büro auf. Der Bote spürte es, und da die Sinne des Boten mit seinen eigenen verschmolzen waren, spürte Carlton es auch.
Er konnte den Schweiß riechen, der aus ihren Poren drang. Er konnte das Blut riechen, das durch ihre Adern raste. Er konnte ihr Entsetzen riechen.
»Da bist du ...«
Er sah die Spitze ihres nackten Fußes, der einen halben Zentimeter aus dem Schatten unter dem Schreibtisch ragte.
Klatschnass, wie ein Hund, der gerade aus dem Regen gekommen war. Ihr Haar tropfte noch von der Dusche. Sie trug einen weißen Frottee-Bademantel. Carlton langte unter den Tisch, packte ihr Haar und zerrte das schreiende Mädchen in den Duschraum.
Kapitel 7
(I)
»Oh Gott, Chief!«, brach die Stimme aus dem Funkgerät.
Schnell drückte Steve auf die Taste des Sprechgeräts. »Was? Was ist los?«
Eine Pause. »Das sieht gar nicht gut aus ...«
»Was zur Hölle ist los?«, bellte Steve. »Wo sind Sie? Sind Sie schon im Gebäude?«
»Ich ...« Lautes Rauschen und Knacken. »Ich gehe die Treppe hinauf in den ersten Stock, wo sich die Zimmer befinden. Unten im Rezeptionsbereich war niemand, aber ich habe mich nicht umgesehen. Ich dachte, ich hätte etwas von oben gehört.«
»Was denn?«
»Bin mir nicht sicher. Einen Schrei oder so.«
»Haben Sie jemanden im Gebäude angetroffen?«
»Nein, Sir, niemanden, aber ... aber ... mein Gott, Chief, da sind Fußspuren, die über den Flur führen.«
»Fußspuren.«
Ein lautes Rauschen. »Blut. Das muss Blut sein!«
»Gehen Sie hoch! Finden Sie raus, was da los ist!« Steve drückte eine andere Taste. »An alle Einheiten, hier spricht Wagen Eins. Code 3 zur Seaton-Mädchenschule, Ecke Vierte und Westmore! Verdächtiger ist ein männlicher Weißer, etwa 90 Kilo schwer, braunes Haar, trägt eine Postuniform. Er ist gefährlich.«
Fassungslos lehnte Jane sich in ihrem Sitz zurück. »Blutige Fußspuren? Hat er das gerade gesagt?«
»Das hat er gesagt.« Steve trat das Gaspedal durch.
Die Schule lag gleich hinter der nächsten Kurve, am Rand des Waldes, der sich bis zur Bucht erstreckte. In der Ferne hörte man bereits das Aufjaulen von Polizeisirenen. Jane wurde von der Fliehkraft in den Sitz gepresst, als der Streifenwagen um den Brunnen in der Mitte des Vorplatzes schleuderte. Das Fahrzeug erzitterte, die Bremsen quietschten. Jane wurde nach vorne und wieder zurück geworfen und endlich kamen sie zum Stehen.
Steve löste den Sicherheitsgurt und zog seine Waffe aus dem Schulterholster.
Jane war wie gelähmt. Hier geschah etwas sehr Ernstes, und sie steckte mittendrin. Sollte Carlton tatsächlich Marlenes Leiche ausgegraben haben? Und die Spuren? Konnten das wirklich Carltons blutige Fußstapfen sein, von denen der Polizist über Funk gesprochen hatte? Schließlich sagte sie nur: »Ich kann das alles nicht glauben ...«
Durch das offene Fenster hörten sie einen lang gezogenen, lauten Entsetzensschrei.
»Glauben Sie es ruhig«, sagte Steve und sprang aus dem Wagen.
Wie von einem Schlepptau fühlte Jane sich von seiner Eile mitgezogen. Jetzt rasten noch weitere Streifenwagen auf den Vorplatz. Polizisten sprangen aus den Fahrzeugen und rannten aus allen Richtungen auf den Eingang des Wohnheims zu. Jane konnte ihre Gedanken kaum sortieren vor
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