Der Höllenbote (German Edition)
dieser billigen Absteigen drüben in St. Pete Beach und er war so deprimiert, dass er oben auf den alten Wasserturm von Danelleton kletterte und runterspringen wollte. Waren bestimmt 20 Polizeiautos da an dem Tag. Natürlich ist er nicht gesprungen, aber er hatte es vor. Sie erinnern sich doch bestimmt daran, Annabelle.«
Annabelle erinnerte sich nicht. Tatsächlich bezweifelte sie, dass diese Geschichte sich tatsächlich so ereignet hatte. Mrs. Baxter verfügte über eine blühende Fantasie. Doch draußen schossen noch mehr Streifenwagen vorbei. »Was es auch ist, es muss etwas Ernstes sein«, sagte sie.
»Auf dem Weg hierher habe ich noch mehr Polizeiautos die Main Street entlangfahren sehen. Sah aus, als ob sie zu dieser Seaton-Schule unterwegs sind, und ich kann Ihnen sagen, über die Schule hab ich Geschichten gehört!«
Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel, dachte Annabelle.
»Die ganzen jungen Mädchen dort drinnen und kein Kontakt zu Jungen ihres Alters! Ich will gar nicht wissen, was in deren Köpfen vorgeht ...«
Annabelle verdrehte die Augen. Was für eine Nervensäge. Sie ignorierte das Geplapper der Alten so gut wie möglich, ging hinüber zum Briefmarkenautomaten und dann zum Briefkasten. Sie hoffte, dass die alte Dame endlich verschwand, doch dann hörte sie ein Rascheln aus der Ecke. Das glaube ich nicht! Mrs. Baxter durchwühlte den Papierkorb neben dem Selbstbedienungsschalter und öffnete Werbesendungen, die Postfachkunden weggeworfen hatten. Annabelle trödelte ein bisschen und tat so, als ob sie Briefmarken auf ihre eigenen Briefe klebte, bis Mrs. Baxter ging.
Annabelle wollte so schnell wie möglich nach Hause und sich ein bisschen hinlegen. Sie hatte gestern Abend bis spät in die Nacht mit ihrem Mann zusammen einen ziemlich haarsträubenden Horrorfilm angesehen, irgendwas über Siedler in der Kolonialzeit, die in der Erde eine bösartige Wurzel entdeckt hatten. Der Film war so geschmacklos und schlecht gemacht, dass Mark sich halb totgelacht hatte. Annabelle hatte auch gelacht, aber nicht ganz so herzlich. Sie hatte Albträume bekommen, war ein halbes Dutzend Mal aufgewacht, und am Morgen hatte sie sich ausgelaugt gefühlt. Mark musste heute arbeiten, er war Bauunternehmer. Ich habe den ganzen Tag für mich, stellte sie fest. Was für ein Luxus. Erst ein ausgiebiges, faules Schaumbad, dann ein Nickerchen, bevor Mark nach Hause kommt. Aber eine Sache muss ich vorher noch erledigen ...
Annabelle ging schnell zu ihrem Postfach. Sieben bis zehn Tage Lieferzeit. Heute war der zehnte Tag. Gott, ich hoffe, es ist da ...
Annabelle hatte das Postfach speziell für solche Fälle angemietet. Ein kleines Laster war ja nichts Schlimmes; im Gegenteil, sie fand, dass sie es sich verdient hatte. Es war ja nicht so, dass sie ihren Mann betrog oder so etwas. Das hatte sie noch nie getan, auch wenn es an Gelegenheiten nicht gemangelt hatte und manchmal, wenn primitive Begierden mit moralischen Bedenken kollidierten, Erstere dem Sieg sehr nahe gewesen waren.
Aber manchmal hielt Annabelle es einfach nicht mehr aus.
Deshalb dieser vertrauliche Versandhauskauf, dieses heimliche Laster.
Sie war ganz kribbelig, als sie zu ihrem Postfach ging, doch dann überfiel sie ein plötzlicher Missmut und eine tiefe Niedergeschlagenheit. Hoffe das Beste, aber mach dich auf das Schlimmste gefasst, sagte Mark immer.
Es wird nicht da sein, wusste sie. Wieder würde sie enttäuscht werden. Ich werde das Postfach öffnen, hineinschauen und es wird leer sein. Das blöde Ding ist sicher noch nicht mal abgeschickt worden, bestimmt kommt es erst nächste Woche an. Oder sie schicken es gar nicht. Vielleicht hat man mich übers Ohr gehauen ...
Sie drehte den Schlüssel, öffnete das Fach ...
Herrje!
... und riss den Kopf herum, als eine neue Salve von Polizeisirenen draußen vorbeischoss. Was ist da nur los?, rätselte sie.
Als die Sirenen verklangen, spähte sie in ihr Postfach.
Ihr Herz tat einen Sprung – fast hätte sie vor Freude aufgeschrien. In dem Fach lag ein Päckchen.
Sie nahm es heraus. Der Absender war Erotronica Inc. Das ist es! Endlich ist es da! Annabelle klemmte sich das Päckchen unter den Arm wie etwas Verbotenes, wie ein Kokaindealer, der gerade seine neue Lieferung abholte, und eilte davon, mit floppenden Sandalen zur Eingangstür hinaus und über den Parkplatz. Ihr brandneues meergrünes Mercedes-Cabrio wartete bereits auf sie.
Sie konnte es gar nicht abwarten, nach Hause zu kommen.
Aber
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