Der Höllenbote (German Edition)
lauter Lärm: Sirenen, Quäken aus den Funkgeräten, trampelnde Schritte.
Drinnen jedoch herrschte Totenstille.
»Vorsichtig«, befahl Steve. Er hielt den Lauf seiner Pistole nach oben gerichtet, den Finger nicht am Abzug. »Ist das dort Blut?«
Ein Polizist bestätigte es. Es ließ sich aber auch so nicht übersehen: Eine Spur, die nichts anderes als Blut sein konnte, führte vom Schreibtischstuhl weg. Alle Augen folgten dem verschmierten Streifen. Er endete vor der Tür eines Nebenbüros.
Zwei Cops bauten sich zu beiden Seiten der Tür auf. Einer drehte den Knauf, ein dritter Beamter drang mit vorgehaltener Waffe sichernd in den Raum ein.
Eine Sekunde Stille, dann: »Oh mein Gott ...«
Alle drängten hinein, und als Jane sah, was die Polizisten anstarrten, wäre sie fast in Ohnmacht gefallen.
Eine Nonne hing an der gegenüberliegenden Wand. Dass es sich um eine Nonne handelte, erkannte Jane nur an dem Brusttuch, das über ihr Gesicht geschlungen war, und ihrem Schleier – der Rest der Frau war nackt, ihre weiße Haut mit blutroten Flecken übersät. Ihr Kopf hing zur Seite, der Mund weit geöffnet. Ihre Arme breiteten sich wie an einem Kreuz aus, fixiert von den Nägeln in ihren Handflächen. Zu ihren Füßen glänzte eine drei Meter breite Blutlache.
Jane verbarg das Gesicht in den Händen.
»Wer war als Erster vor Ort?«, fragte jemand.
»Jackson.«
»Aber wo zur Hölle steckt er?«, wollte ein anderer wissen.
»Er ist oben«, meinte Steve. »Sagte was vom Duschraum.«
Das Fußgetrappel verließ das Büro und hastete in einer Stampede die Treppe hinauf. Wieder fühlte Jane sich mitgezogen. Der erste Polizist, der oben ankam, blieb am Treppenabsatz stehen und hob eine Hand.
»Aufpassen«, warnte Steve.
Alle sahen, was er meinte: eine lederne Posttasche, die mit geöffneter Klappe auf dem Boden lag.
»Nicht anfassen!«, meinte jemand. »Das könnte eine Bombe sein.«
»Das ist keine Bombe ...« Der Polizist bückte sich und hob die Tasche auf. Steve trat zu ihm und schaute hinein. Die Umhängetasche war gefüllt mit Messern, Ahlen, Nägeln und ähnlichen Utensilien. Ein Dutzend messerscharfe Spitzen ragten nach oben.
Sie gingen den Flur entlang. Jane wollte nicht mitgehen, sie wollte nicht sehen, was hier sonst noch geschehen sein mochte – aber sie musste. Sie glauben, dass es Carlton war, ärgerte sie sich nach wie vor. Aber sie wusste auch, was das Schlimmste daran war:
Vielleicht ist er es ja wirklich gewesen.
Aber es gab kein Vielleicht mehr, als sie den Flur durchquert hatten.
Oh mein Gott, nein!
Carlton hatte sich in der Haupthalle des Wohnheims erhängt, an einer der Sprinklerdüsen an der Decke. Er sah aus, als sei sein ganzer Körper in Blut getaucht worden. Durch die Strangulation der Schlinge um den Hals war sein Gesicht fast schwarz, die Hände hingen schlaff herab, Blut tropfte von den Fingerspitzen.
»Heilige Scheiße«, flüsterte jemand.
»Das ist er, oder?«, fragte Steve.
»Ja«, antwortete Jane erstickt.
Sie starrte ihren toten Kollegen an. Der Druck der Schlinge hatte sein Gesicht aufgebläht; seine Augen waren verquollen und weit aufgerissen. Jane hätte nie gedacht, dass sich ein Gesicht derart verändern konnte. Er schien zu grinsen.
»Holt ihn runter«, befahl Steve.
Niemand hatte es sonderlich eilig, der Anweisung Folge zu leisten, aber schließlich traten zwei Polizisten vor. Einer legte mit verkniffenem Gesicht die Arme um Carltons Hüfte, der andere kappte das Seil mit einem Messer. Sie legten die Leiche auf den Boden und beide Polizisten starrten den reglosen Körper verwundert an.
»Was ist das?«, fragte schließlich einer von ihnen.
Der Cop, der ihn abgeschnitten hatte, kniete sich hin und betrachtete das abgeschnittene Ende des Seils. »Hey, Chief. Das ist kein Seil.«
Steve drängte sich ungeduldig nach vorn. »Was meinen Sie damit? Was ist es dann? Eine Art Draht oder so was?«
Der kniende Polizist wurde blass. Er schluckte schwer. »Ich glaube ... ich glaube, das ist ... Darm.«
Jane konnte es sehen, sie konnte sehen, dass das dünne, gedehnte Material unmöglich ein Seil sein konnte. Darm? Hat er das gerade gesagt? Aber wenn das tatsächlich Darm ist, dann ... von wem?
Steve schüttelte den Kopf. »Das ist Wahnsinn«, sagte er leise, dann lauter: »Jackson! Wo sind Sie?«
»Hier drin«, kam schließlich die Antwort.
Die Truppe eilte zur nächsten Tür. Jane erinnerte sich an das Gespräch über den Polizeifunk. Da gab es tatsächlich
Weitere Kostenlose Bücher