Der Höllenbote (German Edition)
blutige Fußspuren, die direkt zu der Stelle führten, an der Carlton Selbstmord begangen hatte. Jane folgte den übrigen Spuren in den Raum ...
Eine Gemeinschaftsdusche, wie Jane sie von früher aus ihrem eigenen Wohnheim im College kannte. Ein lang gestreckter Raum mit hübschen rosa-weißen Kachelmustern an den Wänden und zehn Duschköpfen. Auf der gegenüberliegenden Seite Spinde und Bänke, links eine Nische mit mehreren Waschbecken. Absolute Stille durchdrang den ganzen Bereich, abgesehen von einem einzelnen Tröpfeln.
Aber das war nicht das Erste, was Jane auffiel, beileibe nicht. Die jüngste Verzierung des Duschraums war unmöglich zu übersehen.
Sechs Mädchen im Teenageralter hingen nebeneinander an der hinteren Wand, ebenso gekreuzigt wie die Nonne. Nackt, die Arme ausgestreckt, mit Betonnägeln durch Handflächen und -gelenke an den Fliesen befestigt. Ihre Köpfe waren blutüberströmt und offenbar mit einem Hammer zertrümmert worden. Ein Handtuch verstopfte den Abfluss in der Mitte des Raums. Eine zentimetertiefe Blutpfütze breitete sich unter ihnen aus.
Niemand sagte ein Wort. Jane glotzte nur, starr vor Entsetzen.
Draußen hörte man weitere Sirenen, weiteres Bremsenquietschen. Rettungswagen trafen ein. Eine Menschenmenge sammelte sich, Absperrungen wurden errichtet.
Jane und Steve wechselten einen Blick, wie er düsterer nicht hätte sein können. Alle starrten wortlos auf das letzte Detail dieses Schlachtfests: eine Glocke, in breiten Blutstreifen auf die angrenzende Wand geklatscht.
Jane wusste, dass sie es sich nur einbildete, aber als sie ein letztes Mal auf die Reihe der nackten Leichen blickte, die dort an der Wand hingen, meinte sie eine Bewegung wahrzunehmen. Falls sie das, was sie zu sehen glaubte, tatsächlich sah, mussten es doch auch alle anderen bemerken. Aber niemand sagte etwas.
Ich seh das nicht, ich seh das nicht , redete sie sich immer wieder ein. Es ist unmöglich. Es ist nicht da.
Für einen winzigen Augenblick öffneten die sechs toten Mädchen an der Wand alle gleichzeitig ihre Augen, sahen Jane an und lächelten.
Jane klappte zusammen.
(II)
Was ist denn da los?, wunderte sich Annabelle.
Sirenen heulten am Haus vorbei, wurden rasch lauter und verklangen genauso schnell wieder. Was ging da vor?
Annabelle war womöglich die zierlichste Frau der ganzen Stadt, einen Tick kleiner als 1,50 wog sie an einem ›fetten‹ Tag gerade mal 50 Kilo. Sie sah aus wie das, was sie war: eine elegante, vornehme Hausfrau, mit einem ansprechenden Gesicht, immer sorgfältig manikürt, genau die richtige Menge an Make-up. Das schimmernde, aber schlichte sorbetgrüne Strandkleid schien dank des hochwertigen Materials von innen heraus zu leuchten und hatte in der International Mall 300 Dollar gekostet. Dazu kamen weitere 100 Dollar für Designersandalen mit Strass auf den Riemchen. Ihr Körper besaß ausgeprägte weibliche Kurven, ihre Brüste waren fest, und wenn sie in der Sonne die Straße entlangging, schien ihr glattes zimtfarbenes Haar zu leuchten. Alles in allem war Annabelle das Musterexemplar einer Hausfrau in Florida, und wenn sie vorbeiging, starrten ihr viele Männer hinterher und bissen sich in blankem Neid auf ihren Ehemann auf die Lippen.
Noch mehr Sirenen wurden erst rasch lauter und verklangen kurz darauf wieder.
Sie hatte gerade durch die Automatiktüren die neue Westfiliale der Post betreten und genoss die kühle Luft, als das Geräusch quietschender Reifen hinter ihr sie zusammenzucken ließ. Sie fuhr herum und sah mehrere Streifenwagen die Rosamilia Avenue entlangrasen. Muss ein schlimmer Unfall sein, vermutete sie. Oder ein Feuer.
»Herrgott, immer dieser Lärm!«, hörte sie die Stimme einer anderen Frau. Mrs. Baxter, eine von Danelletons berüchtigtsten Klatschtanten, wog ein Paket am Selbstbedienungsschalter ab. Ein zerknautschter kleiner Griesgram von einer Frau mit hängenden Schultern, das Haar zu einem Dutt gebunden und mit einem Haarnetz gesichert. »So viele Polizeiautos auf einmal habe ich nicht mehr gesehen, seit letztes Jahr Corey Halverson seine Frau dabei erwischt hat, wie sie ihn betrog – das wissen Sie doch bestimmt noch, mit dem Mann, der immer herumfuhr und die Blätter aus den Dachrinnen putzte.
Erinnern Sie sich? Wie sich rausstellte, hat er sich wohl bei so einigen Frauen aus der Stadt die Hörner abgestoßen, und obendrein war er auch noch ein Exsträfling! Jedenfalls, der arme Corey Halverson erwischte die beiden zusammen in einer
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