Der Höllenbote
ihn hatte er auf der letzten Strecke angehalten.
Der Regen fiel mit ungeheurer Stärke auf die Erde. Eine graue Wasserwand schien vor dem Eingang der Höhle zu stehen. So dicht, daß der einsame Mann das Gefühl hatte, sie würde niemals abreißen. Aber er war nicht gekommen, um die Wasserwand anzustarren, er wollte endlich eine Höhle besichtigen, über die auch die Urahnen etwas hinterlassen hatten.
Etwas war dem Mönch schon bei seinem Auftritt aufgefallen. Das Licht. Es war keine strahlende Helligkeit, sondern ziemlich fad und aus dem Hintergrund der Höhle dringend, so daß sich seine Reste noch vor dem Eingang verliefen.
Er wollte die Lichtquelle finden.
Schritt für Schritt bewegte er sich tiefer in die unbekannte Höhle der Bergwelt. Schon bald wurde das Rauschen des Regens schwächer, und als er tiefer in das unbekannte Gelände hineinschritt, da verstummte das Geräusch schließlich ganz.
Stille umgab ihn.
Und ein Licht, das jetzt heller geworden war. Der alte Mönch öffnete seine Augen so weit es ging, denn er hatte das Ende der Höhle erreicht und sah vor sich ein Bild, wie er es nie erwartet hätte und das auch seine Vorfahren so erschreckt haben mußte.
Es war eine Steinfigur, die jemand geformt und in die Wand hineingeschoben haben mußte, allerdings nur so weit, daß sie mit der Hälfte des Körpers noch hervorschaute.
Ein gewaltiger langer Mantel fiel Sua Ku auf. Er war so um den Körper geschlungen, daß er in seiner oberen Hälfte in eine Kapuze überging, die den seltsamen Schädel der Figur bedeckte. Es war eine Mischung aus einem menschlichen Gesicht und einem Totenschädel. Gelb schimmerte er, mit einem Stich ins Goldene. Der Mönch blickte in leere Augenhöhlen, dazwischen in ein Loch, wo früher die Nase gesessen hatte, und darunter befand sich die Öffnung, wo einmal ein Mund gewesen war.
Die Figur hatte muskulöse Arme, hielt sie vorgestreckt und beide Hände übereinandergelegt, wobei sie die rechte Hand auf dem Griff eines breiten Schwertes mit goldener Klinge abstützte, dessen Spitze den Boden berührte.
Hinzu kam, daß der Mantel dieser seltsamen Figur nicht nur eine Kapuze besaß, sondern die gleiche Farbe hatte wie die düsteren Schwingen, die übergroß aus dem oberen Teil des Rückens wuchsen. Der Mönch hatte in seinem langen Leben viel gesehen. Dieser Anblick jedoch überwältigte ihn. So etwas war ihm noch nie vor die Augen gekommen.
Eine Figur aus Stein, die wirkte, als würde sie jeden Moment vorgehen und den Ankömmling begrüßen.
Aber war sie wirklich aus Stein?
Fast wollte der alte Mönch dies nicht glauben, und er schüttelte auch den Kopf. Jetzt sah er, woher das Licht stammte. Die goldene Klinge strahlte es ab, und zwar so kräftig, daß der Schein einen Großteil der Höhle ausfüllte. Kalt rieselte es über den Rücken des Mannes. Er wußte mit seiner Entdeckung nichts anzufangen, aber wie von selbst formulierten seine Lippen eine Frage.
»Wer bist du?«
Fast hatte er schon mit einer Antwort gerechnet, doch die Figur vor ihm blieb stumm.
Erst jetzt traute sich Sua Ku, einen weiteren Schritt vorzugehen. Er blieb erst stehen, als er die Figur als auch den Mantel berühren konnte und streckte zögernd seinen Arm danach aus.
Als die Fingerspitzen Kontakt bekamen, zuckte er unwillkürlich zurück, denn das Gestein fühlte sich nicht kalt an, womit er gerechnet hatte, sondern warm, und es schien unter der ersten Schicht regelrecht zu leben.
So war es auch mit der Haut und mit den geheimnisvollen Flügeln, die der Mönch erreichte, wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte. Blieb nur noch das Schwert, das er erforschen wollte. Er drehte sich nach rechts. Die Klinge mündete dort in den Griff, wo sich seine Stirn befand, und der Mönch streckte beide Hände aus, um das Schwert zu berühren.
Es war der Schritt in den Tod!
Kaum hatte er Kontakt und schaute auf die schmale, lange goldene Klinge, als es wie ein heftiger Schlag durch seinen Körper fuhr. Der Mönch stellte sich auf die Zehenspitzen, seine Gestalt wurde für eine winzige Zeitspanne durchsichtig, im nächsten Augenblick brach er tot zusammen und blieb vor den Füßen der Figur liegen. Er hatte dem Sensenmann trotzen wollen, das war ihm nicht gelungen. Die Figur aber öffnete ihr Maul, und ein heiseres, triumphierendes Lachen drang aus der lippenlosen Öffnung, denn mit dem Tod dieses Menschen hatte der Höllenbote neue Kraft bekommen…
***
Als man Jahrhunderte später in den Bergen Rohstoffe
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