Der Höllenbote
uraltes chinesisches Motiv. Den Yuisan.«
»Und wer ist das schon wieder?«
»Der Höllenbote.«
Aha. Mit dieser Bemerkung konnte ich schon mehr anfangen. Aber ich wußte noch immer nicht, weshalb Suko auf einem Besuch bestand. Das fragte ich ihn.
»Es geht allein um das Bild, John. Den anderen Schnickschnack kannst du vergessen. Dieses Bild zeigt Yuisan, den Höllenboten. Die Figur entstammt der chinesischen Mythologie, und man findet sie in zahlreichen Abbildungen und auch in Stein gehauen in irgendwelchen Bergdörfern. Es ist klar, daß die Partei den Glauben an Dämonen und Geistern verbot, aber sie konnte ihn nicht ausrotten. Die Menschen gaben ihre Informationen, die sie über die Geister-und Dämonenwelt bekommen hatten, im Untergrund weiter. So lebte die alte Magie. Ebenso war es mit Yuisan, dem Höllenboten.«
»Dann ist das Bild alt und aus dem Land herausgeschmuggelt worden«, stellte ich fest.
»Falsch.«
»Wie?«
»Das Bild ist neu. Gemalt hat es die Frau eines englischen Technikers. Und weil das Bild neu ist, erschreckt mich diese Tatsache so sehr. Die Frau hat ihre Erlebnisse und Eindrücke genau festgehalten. Ich habe Bekannte gesprochen, die sich in der Ausstellung umgesehen haben. Sie sprachen von einer beeindruckenden Realität. Deshalb möchte ich dich bitten, dir das Bild einmal anzuschauen.«
»Wie sieht der Knabe denn aus?«
»Der Höllenbote?« Suko hob die Schultern. »Manchmal glaube ich, daß er ein Konkurrent des Eisernen Engels ist. Auf jeden Fall besitzt er Flügel.«
»Kann er mit den Todesengeln der Asmodina zu tun gehabt haben?« hakte ich nach.
»Nein, das auf keinen Fall, John. Aber ich will nicht zuviel spekulieren. Fahr hin und schau dir die Ausstellung einmal an. Am besten nur das Bild.«
Ich grinste. »Suko, du bist link. Da stimmt einiges nicht. Du tust so harmlos und sagst zu mir, sieh dir den Kram mal an. In Wirklichkeit aber…«
»Ist es viel schlimmer, John.«
»Was?«
»Ich habe da ein ungutes Gefühl, das will ich dir ehrlich sagen. Und zwar, weil das Bild neu ist. Von einem meiner Vettern weiß ich, daß die Frau des Technikers das Bild nach dem Motiv gemalt hat, das sie mit eigenen Augen gesehen hat. Sie hat erzählt, daß es den Höllenboten wirklich gibt. Und nicht nur die Frau hat ihn gesehen, sondern auch andere Zeugen, die ihre Aussagen bestätigen. So liegt der Fall.«
»Dann könnte der Höllenbote ein Gegner von uns werden?« hakte ich nach.
»Möglich.«
»Und warum gehst du dann nicht mit?«
»Es ist wirklich wegen Shao, John. Sie kennt dieses Monstrum auch. Wir haben mal darüber gesprochen. Wenn sie erfährt, daß es existiert…«
»Was nicht bewiesen ist«, fiel ich Suko ins Wort.
»Sicher. Allein die Möglichkeit macht ihr Angst. Shao ist da ein wenig sensibel. Also wenn sie das erfährt, dann weiß ich nicht, wie sie reagieren wird.«
Ich drückte die Zigarette aus. »Na ja, wir werden sehen. Auf jeden Fall gehe ich bewaffnet.«
»Das wird am besten sein, obwohl ich glaube, daß nichts passiert.«
»Deine Sprüche haben mich eben heiß gemacht. Wo findet die Ausstellung eigentlich statt?«
»Nicht in einem großen Museum. Es ist ein ehemaliges Kino, das man für Ausstellungen mieten kann. Wenn du Maler wärst, könntest du dort auch deine Bilder zeigen.«
»Sag schon.«
»Ich bekam die Adresse.«
In diesem Augenblick steckte Glenda ihren Wuschelkopf ins Büro. »Ich gehe dann«, sagte sie. »Schönen Abend noch, ihr beiden.«
Mir kam eine Idee. »Hast du schon was vor, Mädchen?«
»Für heute abend?«
»Richtig.«
»Eigentlich nicht. Aber ich wollte meine Wohnung putzen. Frühjahrsputz, wie die Hausfrauen sagen.«
»Schade, ich hätte dich gern eingeladen.«
Glenda kam jetzt ganz ins Büro. »Kommt darauf an, was du dir hast einfallen lassen, Oberinspektor.«
»Ich dachte da an einen Gang ins Museum.«
Glenda schaute mich an, als hätte ich ihr einen unsittlichen Antrag gemacht. »Ist das dein Ernst, John?«
»Sonst hätte ich es nicht gesagt.«
»Tut mir leid, aber da mußt du dir eine andere suchen. Ich habe die Nase von Museen voll. Denke nur an den Fall mit Golo Golerian. [2] Danach habe ich mir geschworen, kein Museum mehr zu besuchen. An das Versprechen halte ich mich.«
»War auch nur eine Frage.«
Glenda lächelte. »Viel Spaß noch.«
Suko hob die Schultern. »Verständlich«, sagte er. »Das war damals für Glenda wirklich haarig.«
Ich mußte meinem Partner recht geben. So blieb mir nichts anderes
Weitere Kostenlose Bücher