Der Höllenbote
nicht.
Suko betrat das Boot. Auf den letzten Yards war er vorsichtig geworden. Seine Hand befand sich in der Nähe des Waffengriffs. Er rechnete jeden Augenblick damit, hinterrücks angegriffen zu werden. Gespenstisch kamen ihm die Aufbauten vor. Sie ruhten auf breiten Holzpfosten, die das Dach trugen. Suko befand sich zwar in London, das auch nachts lichterfüllt war, doch in dieser Gegend sparte man mit Strom. Dunkelheit hüllte den Inspektor ein. Das Wasser zeigte einen schwarzen Glanz. Es gluckste und schmatzte manchmal, wenn es gegen die Bordwand des alten Kahns schlug.
Suko hatte sich die Räumlichkeiten auf dem Boot genau eingeprägt. Er wußte, wohin er zu gehen hatte, doch er wollte es nicht allein. Die Söhne sollten mit, denn sie waren Sukos Hoffnung. Ihr Vater hatte ihnen befohlen, bei Shao Wache zu halten. Wenn sie das wirklich taten, hätten sie auch Sukos Schritte hören müssen und wären gekommen, um nachzuschauen.
Sie blieben weg.
Der Chinese stoppte. Er spielte mit dem Gedanken, sich lautstark bemerkbar zu machen, zuckte jedoch davor noch zurück, erst wollte er das Schiff durchsuchen.
Aus der Entfernung gesehen, konnte man meinen, daß dieser alte Kahn nur einen Aufbau besaß.
Das stimmte nur zum Teil. Der Deckaufbau war unterteilt. Es gab mehrere kleine Räume, winzige Kajüten oder Kabinen, in denen kaum zwei Menschen Platz hatten.
Suko schaute in alle hinein. Einige waren leer, in anderen entdeckte er Gerümpel. Taue, Kisten, alte Kleidung, aber einen Menschen oder die Menschen, die Suko suchte, fand er nicht.
Keine Spur von Lai Ti Jans Söhnen! Hatten sie tatsächlich den Befehlen ihres Vaters nicht gehorcht? Suko empfand das als unwahrscheinlich, denn er kannte die Mentalität seiner Landsleute. Die Chinesen waren sehr familiengebunden, sie lebten in der Tradition einer Großfamilie, und dort galt, was der Älteste sagte. Auch wenn sie sich verbrecherisch betätigten, dann war dies so.
Es gab natürlich noch eine andere Lösung. Suko dachte daran, daß magische Kräfte das Boot umgarnt und den beiden Söhnen des Lai Ti Jan keine Chance gelassen hatten.
So konnte es gewesen sein. Sollte dies wirklich eintreffen, waren Sukos Chancen dahin. Das wußte er.
Der Chinese verzichtete darauf, das Schiff weiter zu durchsuchen, er wollte jetzt in den Bauch des Kahns steigen, um sich nach Shao umzusehen.
Die Luke fand er sofort. Seltsamerweise war sie geschlossen, aber Suko machte es keine Mühe, sie anzuheben.
Der Schlund gähnte ihn an.
Etwas seltsam war dem Inspektor doch zumute, als er in den Schacht blickte. Er sah auch kein Licht mehr. Die Kerzen, die Shaos Liege eingerahmt hatten, waren verlöscht.
Ein kaltes Gefühl schlich den Rücken des Chinesen hoch und blieb im Nacken hängen, wo es sich zu einer Gänsehaut verdichtete. Er hatte Angst um Shao, die andere Seite kannte kein Erbarmen. Eiskalt würde sie zuschlagen und dann?
Suko zögerte nicht mehr länger. Seine Beine zitterten ein wenig, als er in die Tiefe stieg. Auf seiner Stirn lag eine feuchte Schweißschicht. Selten hatte er so eine Angst verspürt wie jetzt, wo es um seine geliebte Shao ging. Wie würde er sie vorfinden? War sie überhaupt noch an Bord dieses Schiffes?
Die letzten beiden Sprossen passierte er durch einen Sprung und landete dumpf auf den weichen Planken. Dort blieb er für einen Moment hocken, schaute in die Dunkelheit und wandte sich nach links, wo auch der Raum lag, in dem Shao gefangengehalten wurde. Suko trug eine Lampe bei sich. Er wagte jedoch nicht, sie einzuschalten. Der dünne Lichtfinger hätte ihn verraten, deshalb tastete er sich im Dunkeln voran. Nur die Luke zeichnete sich über ihm als ein helles Rechteck ab.
Ohne einen Laut zu verursachen, bewegte sich der Inspektor auf den Vorhang zu. Er hatte seine Arme ausgestreckt, die tastenden Finger fanden schon bald den weichen Widerstand des Stoffs und klammerten ich in den Falten fest.
Er war zugezogen, und Suko suchte nach dem Spalt, damit er den Vorhang teilen konnte.
Als er ihn gefunden hatte, schuf er sich eine Lücke, die gerade so groß war, daß er hindurchgleiten konnte.
Stockfinster war es um ihn herum.
Für einen Moment blieb der Chinese stehen. Er sah seine Gegner nicht, er spürte sie.
Körperliche Nähe eines Menschen. Mit feinen Sinnen nahm Suko dies auf.
Da traf ihn schon der Hieb.
Mit einem harten Gegenstand war er geführt worden, und Suko hatte das Gefühl, als wäre sein Nacken auseinandergerissen. Er stieß einen
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