Der Höllenbote
war zu erkennen, daß jemand schnell in die Höhle hineinlief. Schon sahen wir Sua Ku. Mit allen Zeichen von Aufregung lief er uns entgegen.
»Kommen Sie?« fragte ich.
»Ja, sie sind unterwegs. Ich habe die Anzeichen gesehen. Der dunkle Himmel färbte sich in der Ferne rot, als hätte dort jemand Blut vergossen. Wir müssen hinaus.«
Damit war ich einverstanden. Kara und Myxin ebenfalls, denn sie hatten sich schon in Bewegung gesetzt. Kaum waren wir einige Schritte gelaufen, als wir über uns das Grollen vernahmen. Es war ein dumpfes Geräusch, vergleichbar mit einem Donnern, und es pflanzte sich als zitterndes Echo fort, das in unseren Ohren schallte.
»Das ist ein Angriff«, flüsterte Myxin. »Schnell, sonst werden wir hier begraben.«
Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als wir bereits rannten. Das war gut so, denn die Wände begannen zu zittern, und von der Decke lösten sich erste Steine zusammen mit einer Staubwolke, die unsere Sicht vernebelte.
Und ich hörte eine Stimme. Sie schien innerhalb der Felsen zu lauern. Dabei kam sie mir vor wie ein rauhes, wildes Gelächter, wobei gleichzeitig die Wände anfingen zu glühen und so heiß wurden, daß das Gestein zu dicken Tropfen schmolz.
An der Decke zeigte sich der gleiche Effekt. Auch dort schmolz das Gestein, zog sich regelrecht zusammen, wurde glasig, und als vor mir ein dicker Tropfen zu Boden platschte, da wußte ich, daß unsere Chancen gering waren, dieser Höhle zu entkommen…
***
Der Fahrer war wirklich wie der Teufel gefahren. Zuerst hatte er nicht gewollt, bis Suko ihm seinen Ausweis präsentierte.
»Auf Ihre Verantwortung, Inspektor«, sagte der Mann und drückte endlich auf das Gaspedal.
Suko dachte nur an Shao. Durch den Tod des alten Lai Ti Jan hatte sich die Lage unnötig zugespitzt, und Shaos Chancen zu überleben, wurden immer geringer.
London lag im Lichterglanz der Nacht. Die wichtigen Gebäude waren angestrahlt. Autos fuhren hintereinander und bildeten eine gigantische Lichtschlange.
Der Driver überholte riskant. Sein Finger befand sich ebensooft auf dem Hupring wie sein Fuß auf dem Gaspedal oder der Bremse. Manchmal mußte er auch halten, einmal fuhr er über den Bürgersteig, und erst nach der Themseüberquerung wurde es besser.
Suko fragte sich, ob Lai Ti Jan nur als einziger das Gegenmittel kannte. Vielleicht hatte er auch geblufft und seinen beiden Söhnen die Zusammensetzung genannt. Auf diese Hoffnung baute Suko, und er hoffte inständig, daß sie sich erfüllen würde. Er war früher stolz auf seine Beherrschung gewesen, doch wo es um Shao ging, da wurde auch ein Mann wie er zittrig.
Im Londoner Chinesenviertel kannte sich der Fahrer nicht aus. Hier mußte Suko weiterhelfen.
»Hoffentlich zerstören mir die Kerle nicht den Wagen«, knurrte der Mann, als er sah, mit welchen Blicken die Taxe verfolgt wurde.
»Was solten sie für einen Grund haben«, erkundigte sich Suko.
»Einfach so.«
»Unsinn. Chinesen sind ebenso gut oder schlecht wie Weiße auch. Das sollten Sie sich merken. Fahren Sie die nächste links.«
»Ja, ja, schon gut. Aber ich kenne einen Kollegen, der hat im Chinesenviertel seine Reifen verloren.«
»Das wäre ihm woanders auch passiert.«
»Schon gut, ich sag' nichts mehr.«
Suko gab weiter seine Anweisungen. Als sie die kleine Brücke erreichten, über die der Inspektor ebenfalls gefahren war, da atmete er auf. »Fahren Sie dann scharf rechts.«
»Zu dem Schatten hin?«
»Das ist ein Hausboot, unser Ziel.«
»Ich brauche doch nicht zu warten?«
»Nein.« Suko holte bereits Geld aus der Börse. Auf eine Quittung wollte er verzichten, das hätte nur Zeit gekostet. Hauptsache, er erreichte Shao früh genug und konnte sie aus ihrem gefährlichen Dämmerzustand retten.
In der Kurve wurde Suko hart in den Sitz gepreßt. Dann bremste der Fahrer mit einem Ruck. Er nannte den Preis, Suko drückte ihm einen Schein in die Hand und sprang aus dem Wagen, wobei er sofort auf den Steg zurannte.
Auf dem Schiff brannten zwei einsame Laternen. Sie schaukelten im Wind, und eine befand sich dicht vor dem Eingang, wo sie an einem hohen Pfosten hing.
Suko hörte noch, wie der Fahrer seinen Wagen drehte, dann dröhnten seine Schritte bereits über die Planken des Stegs, der das Boot mit dem Ufer verband. Die Geräusche waren so laut, daß sie sicherlich auf dem Boot zu hören sein mußten, da allerdings tat sich nichts. Es blieb ruhig, die Söhne des alten und jetzt toten Chinesen Lai Ti Jan zeigten sich
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