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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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sich um einen Gast handelt. Dann aber merke ich, wie sich die beiden einander zuwenden, und sehe den düsteren Blick Chloes, während sie dem lauscht, was er zu sagen hat. Ich bleibe stehen, um mich zu wappnen. Erst dann gehe ich zu ihnen.
    Chloe blickt auf und sieht mich näher kommen. Ihre Augen weiten sich, und ich weiß nicht, ob das Erschrecken oder Besorgnis ist. Der Mann schaut sich ebenfalls um, aber ihn bemerke ich gar nicht. Ich zwinge meinen Mund zu einem Lächeln.
    «Hi. Wollen wir los?»
    Chloes Gesicht spiegelt ihre Nervosität wider. «Du kommst früh.»
    Ihre Blicke huschen zu dem Mann. Er hat mich die ganze Zeit angestarrt, und jetzt wende ich mich ihm zu. Chloe wird noch aufgeregter.
    «Sean, das ist … das ist Jules.»
    «Hallo, Sean», sagt er.
    Er muss um die dreißig sein. Gut aussehend, mit Dreitagebart und einem im Fitnessstudio gestählten Körper, mit dem er vermutlich die fast weiblich wirkenden langen Wimpern kompensieren will. Die Lederjacke und die sorgfältig zerfetzte Jeans sehen zu teuer aus, um den Geruch der Straße zu verströmen, den er damit wohl bezweckt.
    Ich weiß sofort, wer er ist. Er beobachtet mich mit einem verschlagenen und herablassenden Grinsen, als wüsste er auch, wer ich bin.
    Ich wende mich an Chloe. «Wie lange brauchst du noch?»
    Sie kann mich nicht ansehen. «Zehn Minuten.»
    Mit gesenktem Kopf geht sie los, um einen Gast zu bedienen. Ich kann spüren, wie der Mann, den sie Jules nennt, mich beobachtet. In diesem Moment wünsche ich mir, nicht mit dem Rauchen aufgehört zu haben, denn dann könnte ich jetzt wenigstens meine Hände beschäftigen.
    «Sie sind also Lehrer», sagt er.
    «Im Moment schon.» Ich hasse die Vorstellung, wie Chloe mit ihm über mich spricht.
    Er lächelt in seinen Wodka. «Im Moment, ja? Klingt für mich, als hätten Sie Großes vor.»
    Ich antworte nicht. Er sitzt lässig auf dem Barhocker und lässt die teure Jacke und seine Klamotten für sich sprechen. Ich frage ihn nicht, was er macht – es interessiert mich einfach nicht.
    «Sie und Chloe also», sagt er.
    «Was ist mit uns?»
    «Nichts.» Er scheint sich prächtig zu amüsieren. Ich glaube allmählich, er könnte betrunken sein. «Ich habe gehört, Sie sind vor einer Weile einem Freund über den Weg gelaufen.»
    «Das wäre mir neu.»
    «Ein Typ namens Lenny.»
    Der Name sagt mir nichts. Und dann fällt es mir wieder ein. Der gewalttätige Kerl, der uns in jener Nacht auf der Straße angehalten hatte. Chloe hatte ihn Lenny genannt.
    Jules rutscht vom Barhocker. «Ich muss los. Sagen Sie Chloe, ich melde mich.»
    Ich traue mir nicht zu, darauf angemessen zu antworten, also sage ich nichts. Als Chloe mit der Arbeit fertig ist, gehen wir nach draußen und die Straße entlang. Ich hoffe, sie wird den Anfang machen, aber das tut sie nicht. Sie sagt kein Wort.
    «Wer war das?», frage ich schließlich.
    «Wer?»
    «Jules.»
    «Ach, nur ein Gast.»
    Ich bleibe stehen. Chloe geht ein paar Schritte weiter, ihre hohen Absätze klappern auf dem Bürgersteig. Dann merkt sie, dass ich ihr nicht mehr folge, und dreht sich um. Zum ersten Mal, seit ich in die Bar gekommen bin, sieht sie mich an.
    «Tu das nicht, Chloe.»
    «Was soll ich nicht tun?»
    «Mich wie einen Idiot behandeln. Das war er, richtig?»
    «Wenn du das schon weißt, wieso fragst du dann?»
    «Was hat er gewollt?»
    «Nichts.»
    «Und wieso war er dann da?»
    «Er wollte nur was trinken. Das tun Leute in einer Bar nun mal.»
    «Triffst du dich wieder mit ihm?»
    «Nein! Ich kann doch nix dafür, wer in die verfickte Bar kommt, oder?»
    Sie läuft vor mir weg, und ich hole sie wieder ein und stelle mich ihr in den Weg. Unser Atem steigt in Wölkchen unter der Straßenlaterne auf.
    «Chloe …» Die Worte bleiben mir im Hals stecken. «Was ist denn los? Warum bist du so?»
    «Es gibt nichts, worüber wir reden müssten.»
    «Und wieso verhältst du dich immer so?»
    «Ich verhalte mich nicht so. Himmel, hör auf damit. Ich gehöre dir nicht!»
    «Mir
gehören
? Ich habe ja langsam das Gefühl, dich nicht mal zu kennen!»
    «Vielleicht tust du das auch nicht!»
    Ihre Augen funkeln mich wütend an. Ich bin wie betäubt, aber genauso wütend. «Okay, weißt du was? Vergiss es. Ich packe meine Sachen und ziehe aus.»
    Diesmal wende ich mich ab und gehe. Ich komme nicht weit, als ich ihre Schritte hinter mir höre. «Sean!»
    Ich drehe mich um. Sie schlingt die Arme um mich und legt den Kopf an meine Brust. «Geh nicht.»
    Meine

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