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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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vom Flaschenzug mit lautem Rasseln herunter. Ihre routinierten Handgriffe wirken fast wie einstudiert. Vermutlich haben sie das hier schon oft getan. Er wickelt die Kette um die Beine des Schweins und schiebt den Haken weiter oben in die Kette, damit sie sich nicht wieder abrollen kann. Als er sich aufrichtet, verzieht er das Gesicht und hält sich den Rücken.
    «Packen Sie mal mit an.»
    Ich rühre mich nicht.
    «Na los, stehen Sie nicht nur da rum.»
    Ich zwinge mich, näher zu gehen. Er drückt mir die Kette in die Hand. Georges kommt hinzu und hilft mir. Ich habe immer noch die Krücke unter den Arm geklemmt und zögere, weil ich nicht weiß, was ich damit machen soll. Dann lasse ich sie einfach gegen die Wand fallen. Arnaud macht Platz. Seine Bewegungen sind steif.
    «Zieht sie hoch.»
    Die Kette ist kalt und rau. Sie lässt sich für ein paar Zoll problemlos bewegen, dann rastet sie ein, weil das Gewicht des Schweins am anderen Ende zieht. Ein stechender Gestank breitet sich aus, als das Schwein den Darm entleert. Die Kette zerrt an meinen Armen, als Georges daran zieht. Ich mache es ihm nach. Ich habe jegliche Willenskraft verloren. Wenn er zieht, ziehe ich auch. Ich spüre die Anstrengung in meinem Rücken und meinen Armen. Das Hinterteil des Schweins hebt sich zuerst, und schließlich baumelt es an der Kette. Es zuckt noch, weil es noch lebt. Wir ziehen es höher.
    «Das reicht.»
    Arnaud lässt die Kette einrasten, damit sie nicht sofort wieder abrollt. Wir lassen los. Der Flaschenzug quietscht an der Schiene, als Arnaud ihn weiterschiebt, bis das Schwein über dem Steinblock baumelt. Es schwingt wie ein Pendel hin und her. Georges hat vom Haken an der Wand eine lederne Schlachterschürze genommen, die von den schwarzen Spritzern darauf ganz steif ist. Während er sie zubindet, holt Arnaud einen breiten Aluminiumeimer aus der Ecke. Er platziert ihn direkt unter dem Kopf des Schweins, den er mit der anderen Hand festhält. Georges kommt wieder zum Block und zieht dieses Mal ein Schlachtermesser mit einer langen Klinge. Ich beobachte das alles wie aus großer Entfernung. Und dann, als Georges auf das Schwein zutritt, dreht Arnaud sich zu mir um und grinst verschlagen.
    «Wollen Sie das machen?»
    Ich taste nach meiner Krücke, als Georges das Messer an der Kehle des Schweins ansetzt. Hinter meinem Rücken höre ich, wie etwas in die Aluminiumwanne klatscht, und dann bin ich draußen vor der Hütte. Ich schaffe ein paar Schritte, ehe ich mich übergeben muss. Die Eier vom Frühstück kommen mit einem Schwall Galle wieder hoch. In meinen Ohren rauscht es, und mir wird schwarz vor Augen. Ich höre erneut den dumpfen Schlag des Hammers und sehe, wie aus dem Schädel des Schweins Blut quillt. Andere Bilder überlagern das Schwein, ein fallender Körper legt sich über den anderen.
Jemand schreit, Blut schimmert schwarz unter dem gelblichen Schein einer Straßenlaterne …
    Das Rauschen in meinem Kopf wird wieder zu dem vielstimmigen Summen der Fliegen. Die Lichtung um mich ist wieder da, ich kehre in die Gegenwart zurück. Ich höre jemanden aus der Hütte kommen.
    «Das vertragen Sie wohl nicht, was?»
    In Arnauds Stimme schwingt unverhohlene Freude mit. Ich richte mich auf und atme ein letztes Mal tief durch. «Mir geht’s gut.»
    «Sie sehen aber nicht so aus. Was ist los? Angst vor so einem bisschen Blut?»
    Er hält die Hände hoch. Sie glänzen feucht vom Blut, und schon wieder wallt Panik in mir hoch. Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben. «Ich dachte immer, man braucht eine Lizenz, um die eigenen Tiere schlachten zu dürfen? Ist doch so ein EU -Ding, oder?»
    «Niemand sagt mir, was ich auf meinem eigenen Hof zu tun und zu lassen habe. Schon gar nicht eine Horde Bürokraten.» Arnaud sieht mich sauer an und zieht einen Lappen aus der Tasche, an dem er sich die Hände abwischt. «Bringt mich wieder auf die Frage, warum Sie hier sind?»
    Ich verfluche meinen Kater und versuche, einen klaren Gedanken zu fassen. Arnaud steckt das blutige Tuch wieder ein. «Was meinen Sie?»
    «Es muss doch einen guten Grund dafür geben, dass ein Stadtjunge wie Sie sich hier versteckt. Vermisst Sie denn keiner?»
    «Nein.»
    «Haben Sie keine Freunde?»
    «Jedenfalls keine, die die ganze Nacht wach liegen und sich fragen, wo ich bleibe.»
    «Aber Familie.»
    «Meine Mutter ist verschwunden, als ich noch ein Kind war, und mein Vater ist tot.»
    «Woran ist er gestorben? Die Schande?» Arnaud grinst grausam. «Sie haben mir

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