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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Erleichterung ist so groß, dass es mir Angst einjagt. «Ich halte das nicht aus, wenn du dich mit einem anderen triffst. Wenn du das tust, sag es mir. Jetzt. Aber hör auf, mit mir zu spielen.»
    «Das tue ich nicht», flüstert sie. «Es tut mir leid. Ich verspreche dir, das tue ich nicht.»
    Ihr Körper drückt sich gegen meinen, und das fühlt sich warm und richtig an. Ich starre über ihren Kopf hinweg auf die Kette aus gelben Straßenlichtern, die die Straße säumen. Die eisige Luft trägt einen scharfen Gestank vom Fluss herüber. Ich streichle Chloes Rücken, der mir so vertraut ist, und mir wird eiskalt. Ich bin überzeugt, dass sie mich anlügt.

KAPITEL  10
    «Ich brauche Zement.»
    Mathilde schaut von dem Blumenbeet zu mir auf. Die Küche war leer, als ich mein Frühstückstablett zurückbrachte, weshalb ich vermutete, sie im Gemüsegarten zu finden. Neben ihr steht eine Plastikschüssel mit gepflückten Bohnen, aber im Moment kniet sie vor dem Blumenbeet. Sie beugt sich wieder hinunter und zupft das Unkraut, das zwischen den Blumen aufgegangen ist.
    «Gibt es nicht noch anderes für dich zu tun?»
    «Irgendwie nicht. Ich habe so viel Mörtel rausgehackt, wie ich konnte, und ich will nicht woanders weitermachen, solange ich nicht neu verfugt habe.»
    Die Arbeit ist mir in der vergangenen Woche leicht von der Hand gegangen. Aber ich habe so viele lose Steine aus der Mauer genommen, dass das obere Stockwerk des Hauses aussieht, als würde es im nächsten Augenblick zusammenfallen. Ich hoffe, dass es nur oberflächlich so aussieht. Diese Lücken waren notwendig, wenn ich die Wand richtig sanieren will. Aber ich will sie lieber nicht zu lange so lassen.
    Ich habe schon seit ein paar Tagen gewusst, dass dieser Moment kommt, aber ich habe das Gespräch mit Mathilde aufgeschoben. Nach dem, was ich bei der Tankstelle miterlebt habe, lege ich nicht besonders viel Wert darauf, mich wieder außerhalb des Hofs zu bewegen. Und ich bezweifle, dass es ihr anders geht.
    Aber was sie auch empfinden mag, sie behält es für sich. Sie zupft ein Unkraut aus der Erde. «Wo willst du hinfahren?»
    Das war leichter als erwartet. Ich zucke mit den Schultern. «Ich muss erst eine Liste schreiben, was ich brauche. Aber das wird nicht allzu lange dauern.»
    Sie schaut nicht von ihrem Blumenbeet hoch. «Komm einfach zum Haus, wenn du damit fertig bist.»
    Jetzt erst merke ich, dass ich insgeheim gehofft habe, sie werde eine Entschuldigung finden, nicht in die Stadt zu fahren. Aber es gibt nichts mehr zu sagen. Ich überlasse sie ihrem Unkraut und humple wieder in den Innenhof. Dabei stütze ich mich auf den alten Wanderstab, den Mathilde mir gegeben hat, um die Krücke zu ersetzen, die der Keiler verspeist hat. Das dunkle Holz hat Bissspuren, wo einer von Lulus Vorgängern darauf herumgekaut hat, aber der Stock ist dick und massiv und hat silberne Ringbeschläge und eine passende Verzierung am Griff.
    Ich sehe wie ein richtiger Dandy aus.
    Meine Nervosität versuche ich auszublenden, als ich die Tür zur Abstellkammer öffne, weil ich nachsehen will, was ich brauche. Zement auf jeden Fall, aber Sand scheint noch genug da zu sein. Einen weiteren Eimer und eine Maurerkelle, um die rostigen Kellen zu ersetzen, die mit eingetrocknetem Zement verklebt sind. Und eine Schaufel, überlege ich und tippe die Schaufel an, die in dem Zementsack feststeckt. Ich suche in den Taschen des Overalls, bis ich das dreckige Notizbuch und den Bleistiftstummel finde. Ich blättere durch die Seiten und suche eine, die leidlich sauber ist. Aber eine Seite weckt mein Interesse. Es ist die primitive Zeichnung einer nackten Frau. Der Künstler war zwar ziemlich talentlos, aber ein verräterisches Detail weckt meine Aufmerksamkeit.
    Die Frau hat die Haare hinter ein Ohr gesteckt.
    Mein erster Gedanke ist, dass es Mathilde sein muss und dies nur ein weiterer Beweis dafür ist, wer Michels Vater ist. Dann schaue ich genauer hin und bin mir nicht mehr ganz sicher. Ein Punkt ist auf das Gesicht gezeichnet, der ein Grübchen sein könnte, und ich habe auch bei Gretchen bemerkt, wie sie gelegentlich die Haare zurückstreicht, was wie das unbewusste Nachahmen ihrer Schwester wirkt. Aber die Zeichnung ist so simpel, dass es unmöglich ist zu sagen, wer das sein soll. Falls es überhaupt jemand Bestimmtes ist, denn eigentlich kann es auch bloß ein zufälliges Strichmännchen sein.
    Als ich von draußen ein Geräusch höre, klappe ich das Notizbuch schuldbewusst

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