Der Hof (German Edition)
nehmen.
«Halten Sie es weiter so fest.»
Mit steifen Schritten geht er zu Georges. Seine Aufmerksamkeit gilt noch immer dem Schwein, während der alte Mann ein paar Nägel und einen Hammer aus der Hosentasche zieht und ihm gibt.
«Der braucht ’nen neuen Zaun», erklärt er Arnaud.
«Das muss fürs Erste genügen.»
Klingt, als wäre das ein altes Streitthema zwischen den beiden. Georges macht mit seinem verbissenen Schweigen klar, was er davon hält.
«Bring ihn hier weg», sagt Arnaud.
Georges nimmt den Eimer und schnalzt mit der Zunge. Der Eber trottet hinter ihm her wie ein Hündchen, während er den Pferch umrundet. Als er die andere Seite erreicht, kippt er mehr aus dem Eimer. Das Schwein beginnt eifrig zu fressen.
Arnaud hebt das Brett auf, das Georges fallen gelassen hat. Es kostet ihn sichtlich Mühe, sich zu bücken. «Okay, jetzt können Sie loslassen.»
Meine Beine zittern. Ich hüpfe beiseite und lehne mich gegen den Zaun. Arnaud tritt gegen die Krücke, die auf dem Boden liegt.
«Taugt wohl nicht mehr, was?»
Er hat recht. Das Polster ist zerfetzt, und der Metallschaft ist verbeult und verbogen. Ich stütze mich testweise darauf. Es ist zwecklos. Ich bin überrascht, weil ich mich verloren fühle, aber das möchte ich Arnaud auf keinen Fall zeigen.
«Was frisst er sonst so, wenn es kein Aluminium gibt?», frage ich.
Arnaud lacht leise. Der Zwischenfall scheint seine Laune gebessert zu haben. «Schweine fressen alles. Und der alte Bayard probiert alles, was er kriegen kann. Sie können von Glück sagen, dass Sie ihm nicht in die Quere gekommen sind. Dann hätten Sie jetzt nämlich einen Fuß weniger.»
Ich schaue unbehaglich zu dem Eber. Arnaud hält derweil das Brett vor die Lücke im Zaun und schlägt einen Nagel rein. Das Schwein frisst noch und ist inzwischen so friedlich, dass Georges es mit einer langen Bürste kraulen kann. Jetzt wirkt es ganz ruhig, obwohl ich bemerke, dass der alte Mann lieber auf der anderen Seite des Zauns bleibt. Während ich rüberschaue, kippt er aus einer Flasche etwas auf den Schweinerücken, ehe er weiterkrault. Essig, vermute ich. Gretchen hat mir davon erzählt.
«Wird es immer so wild, wenn Sie ein anderes Schwein schlachten?», frage ich.
Arnaud hat den Mund voller Nägel. «Wenn der Wind ihm den Blutgeruch rüberweht.»
«Warum halten Sie sich nicht eins, das nicht so bösartig ist?»
Er wirft mir einen säuerlichen Blick zu, treibt den Nagel mit einem einzigen Hammerschlag ins Holz und wendet sich dem anderen Ende des Bretts zu. «Er ist ein guter Keiler. Die meisten Sauen muss er nur einmal oder zweimal decken, um seinen Job zu erledigen.» Er klingt sichtlich stolz und nimmt den nächsten Nagel aus dem Mund, den er mit drei Schlägen versenkt. «Man trennt sich nicht von einem erstklassigen Zuchtkeiler, nur weil er mal Wutanfälle kriegt.»
«Was ist mit dem Schwein, das Sie gerade geschlachtet haben?»
«Sie war unfruchtbar. Ich hab Bayard oft genug mit ihr zusammengebracht, dass es hätte klappen müssen. Wenn sie keine Ferkel werfen, sind sie für mich nutzlos.»
«Kein Wunder, dass er sauer wird, wenn Sie seine Sauen abschlachten.»
Arnaud lacht. «Das ist Bayard egal. Er war nur ungeduldig, weil er die Schlachtabfälle kriegt.»
Er steht auf und verzieht das Gesicht. Mit der einen Hand reibt er sich den Rücken und hält mir mit der anderen den Hammer hin. «Hier. Machen Sie sich gefälligst nützlich.»
Er überlässt es mir, den Rest zu erledigen, und verlässt die Lichtung ohne einen Blick zurück.
LONDON
Bald nach Chloes nächtlicher Abwesenheit ist alles wieder fast normal. Es bleibt die Tatsache, dass sie verschwunden war, aber wir vermeiden es beide, den anderen damit zu konfrontieren. Ich habe beschlossen, das als Wahrheit zu akzeptieren, was sie mir erzählt hat. Es ist also nichts passiert. Und Chloe scheint sich Mühe zu geben, ihren kleinen Fehltritt hinter sich zu lassen. Wenn ich nicht darüber nachdenke, kann ich mir sogar einreden, zwischen uns hätte sich nichts verändert.
Aber das stimmt nicht.
Ich habe wieder begonnen, manchmal nach der Arbeit in die Bar zu gehen. Niemand von uns spricht aus, was ich damit andeute – dass ich ihr nämlich nicht länger vertraue. Es ist einfach Teil des unausgesprochenen Handels, den wir eingegangen sind.
Eines Abends, als ich in die Bar komme, steht sie mit einem Mann am Tresen. Eigentlich steht nur sie, und er sitzt auf einem Barhocker, und ich denke auch zuerst, dass es
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