Der Hof (German Edition)
ist mit meinem Fuß?»
«Die Pedale sind weit auseinander. Das müsstest du eigentlich schaffen.» Sie öffnet das große Portemonnaie und zieht ein paar Geldscheine raus. «Das sollte für Zement und alles andere reichen. Ich würde dir ja einen Vorschuss auf deinen Lohn geben, aber mein Vater …»
«Das ist nicht wichtig.»
Ich bin von der neuen Entwicklung zu überrascht, um mir deswegen Gedanken zu machen. Mathilde scheint sich auch unwohl in ihrer Haut zu fühlen. Als sie sich abwendet, schiebt sie sich eine Strähne hinters Ohr. Ich erinnere mich wieder an die Zeichnung, aber der Moment verfliegt schnell. Es gibt Wichtigeres als Mathildes Privatleben.
Obwohl es noch früh ist, hat sich das Fahrerhäuschen des Pritschenwagens schon aufgeheizt. Ich stecke den Gehstock in den Fußraum des Beifahrersitzes und schiebe mich hinter das Lenkrad. Probeweise stelle ich meinen Fuß auf das Pedal. Vorausgesetzt, der gebastelte Schuh verhakt sich nicht unter dem Pedal, sollte es klappen. Ich lege den Sicherheitsgurt an und spüre, wie die Erinnerung wieder aufflammt. Aber ich bin zu sehr mit der Gegenwart beschäftigt, um länger darüber nachzudenken. Ich verschwende noch ein bisschen Zeit damit, die Bedienelemente zu überprüfen und den Sitz zu verstellen, ehe ich mir eingestehe, dass ich den Moment nur hinauszögere.
Also drehe ich den Schlüssel.
Der Motor springt beim dritten Versuch an und rattert und röhrt, während ich das Gaspedal durchdrücke, damit er mir nicht sofort wieder absäuft. Als der Motor gleichmäßig vor sich hin schnurrt, kurbele ich das Fenster runter und fahre langsam vom Hof. Ich holpere im zweiten Gang über den mit Schlaglöchern übersäten Weg. Als ich das Tor erreiche, absolviere ich die zeitraubende Routine: Tor öffnen, hindurchfahren, wieder aus dem Pritschenwagen klettern und das Tor hinter mir schließen. Ich klettere zurück in den Pritschenwagen und sitze bei laufendem Motor einfach da. Fahr schon weiter, rede ich mir gut zu.
Es sind noch ein paar andere Autos unterwegs, aber nicht viele. Der alte Renault lässt sich nur ungern aus dem zweiten Gang höher treiben. Der Motor heult auf, als ich den dritten Gang einlege, und das Getriebe knirscht gefährlich. Ich schaffe es sogar bis in den vierten. Einen fünften Gang gibt es nicht, aber der alte Pritschenwagen gleitet zufrieden über die Landstraße, sobald er sich an das Tempo gewöhnt hat. Ich steuere ihn einfach auf das flirrende Band des Horizonts zu, das so schnell zurückweicht, wie ich darauf zubrause. Ich weiß schon gar nicht mehr, warum ich mir vorhin so viele Sorgen gemacht habe. Ich lehne mich entspannt zurück und genieße einfach die Fahrt.
Meine Sonnenbrille verleiht der vertrockneten Landschaft zu beiden Seiten der Straße einen blauen Farbstich und lässt den Himmel in einem unglaublichen Saphirblau erstrahlen. Ich lasse den Arm aus dem Fenster hängen und genieße den frischen Wind. Weizenfelder huschen vorbei, bis ich bemerke, dass ich viel zu schnell bin, nur widerstrebend bremse ich ab. Das Letzte, was ich jetzt brauchen kann, ist, wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten zu werden.
Meine Anspannung kommt zurück, als ich mich der Tankstelle nähere, wo Mathilde und ich gewesen sind. Aber im Moment ist niemand draußen, und im nächsten Augenblick bin ich schon vorbei. Angesichts der Probleme zwischen ihrem Vater und seinen Nachbarn kann ich es ihr kaum verdenken, wenn sie nicht mit mir in die Stadt kommen will. Obwohl die Bezeichnung Stadt schmeichelhaft ist. Als ich in den Ort fahre, kommt er mir kaum größer vor als ein Dorf. Es gibt nur wenige Häuser und ein paar Läden, die direkt auf den schmalen Bürgersteig hinausführen. Schon habe ich den Marktplatz erreicht. Er ist recht klein, aber ganz hübsch, mit vielen Bäumen, die Schatten spenden, und einem Springbrunnen neben dem Bouleplatz, wo zwei alte Männer schon so früh am Tag ihre Stahlkugeln auf die kleinere Zielkugel werfen.
Den Baustoffhandel finde ich ohne Probleme. Ich parke neben den Haufen aus Sand, Ziegelsteinen und Bauholz vor einem hangarartigen Gebäude mit Wellblechdach und gehe hinein. Paletten mit Zementsäcken und Gipsputz sind an den Wänden mannshoch aufgestapelt. Ich kaufe ein, was ich brauche, und hebe ungeschickt die schweren Zementsäcke auf die Ladefläche des Pritschenwagens. Es ist schwierig, weil ich meinen Gehstock nicht benutzen kann, und keiner der Angestellten fühlt sich irgendwie bemüßigt, mir zu
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