Der Hof (German Edition)
Bedenken hätte, mit beiden Schwestern zu schlafen.
Wer ist hier wohl eifersüchtig?
Die Kastanie hängt mit stacheligen Kugeln voll. Sie sind noch nicht ganz ausgewachsen, aber eine von ihnen ist vor der Zeit vom Baum gefallen und liegt neben mir im Gras. Ich hebe sie auf und spüre die Stacheln in meiner Handfläche. Inzwischen ist die Sonne hinter den Bäumen versunken, und ein dämmriges Zwielicht hat sich über den See gelegt. Ich stehe auf und stelle mich an den Felsvorsprung. Die Kastanie platscht leise ins Wasser, als ich sie werfe. Wie eine Miniaturgranate schwimmt sie auf dem Wasser und hüpft über dem dunklen Schatten auf und ab, wo der Unterwasserfelsen auf unvorsichtige Schwimmer lauert.
Ruhelos gehe ich von dem Felsvorsprung nach unten, direkt an das Ufer des Sees. So weit bin ich noch nie gegangen. Jetzt allerdings reizt mich der Gedanke, die Grenzen des Anwesens abzulaufen.
Der Weg endet an dem Felsvorsprung, und ein Stück weiter reicht der Wald sogar bis ans Seeufer. Ich wähle den Weg, der zum gegenüberliegenden Seeufer führt. Ein Stück dahinter erreiche ich das Ende des Grundstücks. Rostiger Stacheldraht ist um die Bäume gewickelt und in die Rinde genagelt. Es gibt auf der anderen Seite nicht viel zu sehen außer Getreidefeldern. Hier gibt es auch keinen Feldweg mehr, und wenn es einen Grund für den Stacheldraht gibt, erschließt er sich mir nicht. Das Getreide wird wohl kaum unbefugt das Grundstück betreten. Aber darum geht auch nicht.
Arnaud markiert sein Territorium.
Wenn es dafür noch eines Beweises bedarf, bekomme ich den wenige Minuten später. Ich folge nämlich dem Zaun und bemerke erst in letzter Sekunde eine eckige Form, die in einem Grasbüschel versteckt liegt. Eine von Arnauds Fallen, die beiden Bügel klaffen weit auf und warten auf Beute. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich die Mühe gemacht hat, die Dinger bis hier runter zu schleppen. Offensichtlich überlässt er nichts dem Zufall. Ich übrigens auch nicht. Ich schaue mich nach einem Stock um und stecke ihn zwischen die Bügel des Treteisens. Sie schnappen so fest zu, dass das Holz splittert.
Der Gedanke, dass noch mehr von den Dingern hier versteckt sein könnten, erstickt den Wunsch, die Gegend zu erkunden, im Keim. Im nachlassenden Licht benutze ich meinen Gehstock, um vor mir nach weiteren Fallen zu tasten, als ich zurück zum See gehe. Ich komme auf der dem Felsvorsprung gegenüberliegenden Seite aus dem Wald und stehe einen Moment lang einfach nur da und genieße den Anblick aus dieser neuen Perspektive. Die Ufer des Sees sind mit Schilf und Rohrkolben überwuchert, aber von hier aus kann ich eine kleine, seichte Kiesbucht sehen, die hinter einem Grashügel verborgen liegt. Ich gehe hinüber, und unter meinen Schuhen knirscht der Kies. Ich hocke mich hin und halte meine Hand ins Wasser, das eisig ist. Dort, wo meine Finger den Grund berühren, steigt in einem Wirbel Sediment auf.
Das wäre ein guter Platz zum Schwimmen, überlege ich. Der Großteil des Seeufers ist matschig, aber von hier aus könnte man gut hineingehen. Ich lasse die Finger durchs Wasser gleiten, und die aufgewühlte Oberfläche schimmert silbrig. Die Luft ist noch mit der Hitze des Tages aufgeladen, und ich stelle mir vor, wie ich mich ausziehe, mich in die kalte Tiefe stürze und in der Mitte des Sees einfach treiben lasse. Der Gedanke ist verlockend, schade, dass mein Fuß verbunden ist. Aber die Fäden können ja bald gezogen werden, und dann wird mich nichts davon abhalten, hier schwimmen zu gehen.
Wenn ich dann noch hier bin.
Ich stehe auf und schüttle das Wasser von der Hand. Winzige Wellen tanzen über die Wasseroberfläche. Ein bleicher Mond ist aufgegangen, als ich zurück zum Felsvorsprung gehe, um Mathildes Buch zu holen. Dann mache ich mich durch den Wald auf den Rückweg. Die Sanglochons sind heute Nacht still und die Statuen so stumm wie immer. Es ist nur meine gedrückte Stimmung, die sie aufmerksam und finster wirken lässt. Trotzdem bin ich einfach froh, als ich aus dem Wald trete.
Der Weg zurück durch den Weingarten scheint länger zu dauern als sonst. Die Sterne sehen wie Staub aus, der über den Nachthimmel gestreut wurde. Als ich die Scheune erreiche, habe ich keine Lust, mich schon in die stickige Hitze des Dachbodens zu begeben, und lungere noch ein bisschen herum. Gerade überlege ich, ob ich mir noch eine von Arnauds Flaschen Wein zu Gemüte führen soll, als das Splittern von Glas vom Haus
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