Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
war zu gefährlich.«
»Was für Operationen? Wer ist >wir«
»Diejenigen von uns in Brasilien, die gegen die ODESSA gekämpft haben.« Tennyson schüttelte den Kopf. »Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen. Helden hatte recht. Ich war Ihnen gegenüber ungerecht. Sie haben die Wahrheit gesagt. «
Noel hatte das Gefühl, eine Rechtfertigung erfahren zu haben, obwohl er eine solche gar nicht gesucht hatte. Er empfand Verlegenheit dabei, einen Mann zu befragen, der gegen die ODESSA gekämpft hatte, der Kinder ebenso sicher vor dem Tode bewahrt hatte, als hätte er sie aus Auschwitz oder Belsen entführt; einen Mann, der die Frau, die er liebte, in der Kunst des Überlebens ausgebildet hatte. Aber da waren Fragen, wichtige Fragen; er mußte sie stellen, es war jetzt nicht die Zeit, sie zu vergessen.
»Jetzt bin ich an der Reihe«, sagte Noel. »Sie sind sehr schnell und wissen von Dingen, von denen ich nie gehört habe. Aber eigentlich haben Sie bis jetzt nicht besonders viel gesagt. «
»Wenn eine Ihrer Fragen den Tinamu betrifft«, meinte Tennyson, »dann tut es mir leid, aber ich werde Ihnen keine Antwort geben. Und ich werde nicht einmal darüber sprechen. «
Holcroft sah den anderen erstaunt an. »Sie werden was nicht?«
»Sie haben ganz richtig gehört. Der Tinamu ist ein Thema, über das ich nicht spreche. Das geht Sie nichts an.«
»Ich denke doch! Lassen Sie es mich einmal so ausdrücken: Wenn Sie nicht bereit sind, über den Tinamu zu sprechen, dann haben wir überhaupt nichts zu besprechen.«
Jetzt war Tennyson verblüfft. »Damit ist es Ihnen ernst, nicht wahr?«
»Absolut.«
»Dann versuchen Sie, mich zu verstehen. Nichts darf jetzt dem Zufall überlassen werden. Wir müssen die Gefahr ausschließen-und sei sie noch so gering —, daß vielleicht gegenüber den falschen Leuten ein falsches Wort fällt. Wenn ich mich nicht irre, und ich glaube nicht, daß ich das tue, dann werden Sie Ihre Antwort in ein paar Tagen bekommen.«
»Das reicht nicht!«
»Dann will ich noch einen Schritt weitergehen. Der Tinamu ist in Brasilien ausgebildet worden. Von der ODESSA. Ich habe ihn so gründlich studiert, wie je ein Mensch auf dieser Welt studiert worden ist. Sechs Jahre habe ich ihn gejagt.«
Noel brauchte ein paar Sekunden, um seine Stimme wiederzufinden.
»Sie haben ihn... sechs Jahre...?«
»Ja. Für den Tinamu ist wieder die Zeit zum Zuschlagen gekommen; es wird wieder einen Meuchelmord geben. Deshalb haben die Briten Fühlung mit Ihnen aufgenommen; die wissen das ebenfalls.«
»Weshalb arbeiten Sie dann nicht mit ihnen zusammen? Wenn Sie wüßten, was die denken!«
»Ich weiß, was jemand Ihnen einzureden versucht hat. Deshalb kann ich nicht mit ihnen zusammenarbeiten. Der Tinamu hat überall seine Verbindungen; sie kennen ihn nicht, aber er benutzt sie.«
»Sie sagten, ein paar Tage.«
»Wenn ich mich irre, werde ich Ihnen alles sagen. Und dann gehe ich sogar gemeinsam mit Ihnen zu den Briten.«
»Für ein paar Tage... okay. Dann lassen wir den Tinamu — für ein paar Tage.«
»Was immer ich Ihnen sonst sagen kann, werde ich Ihnen sagen. Ich habe nichts zu verbergen.«
»Sie kannten Beaumont in Rio, wußten, daß er der ODESSA angehörte. Sie haben mir sogar vorgeworfen, ich hätte mir seinen Namen von Graff beschafft. Und doch hat er trotz alledem Ihre Schwester geheiratet. ODESSA zu ODESSA? Sind Sie auch einer von denen?«
Tennyson zuckte mit keiner Wimper. »Eine Frage der Prioritäten. Um es einfach auszudrücken — das alles war geplant. Meine Schwester Gretchen ist nicht mehr die Frau, die sie einmal war, aber den Haß, den sie für die Nazis empfindet, hat sie nie verloren. Sie hat ein größeres Opfer als irgendeiner von uns gebracht. Durch sie kennen wir jede Bewegung Beaumonts.«
»Aber er weiß, daß Sie von Tiebolt sind? Weshalb sagt er es Graff nicht?«
»Fragen Sie ihn doch, wenn Sie mögen. Vielleicht sagt er es Ihnen.«
»Sie sollen es mir sagen.«
»Er hat Angst«, erwiderte Tennyson. »Beaumont ist ein Schwein. Selbst in den Dingen, die ihm wichtig sind, ist er unsauber. Er arbeitet immer weniger für die ODESSA, und das nur dann, wenn sie ihn bedrohen.«
»Ich verstehe nicht.«
»Gretchen hat ihre eigenen ... wollen wir sagen: Überzeugungskünste? — Sie haben sie ja kennengelernt. Außerdem ist da noch eine ziemlich stattliche Summe von Schwarzgeld, das auf Beaumonts Konto gewandert ist. Und von alledem abgesehen fürchtet er, wir könnten ihn auffliegen
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